Erzähl mir was vom Regen

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Das kreative Schauspieler-Autoren-Ehepaar Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri steht erneut in einem Film gemeinsam vor und hinter der Kamera. „Erzähl mir was vom Regen“ erzählt von einer idealistischen Politikerin, die beim Besuch ihrer Familie in einem kleinen südfranzösischen Dorf auf vielfältige Beziehungsprobleme und Vorurteile trifft. Ihr kurzweiliges Ensemblestück lebt von schnellen Wortgefechten und ironischen, bisweilen gar zynischen Bebachtungen des bürgerlichen Milieus.

Webseite: www.alamode.de

OT: Parlez-moi de la pluie
F 2008
Regie. Agnès Jaoui
Drehbuch: Agnès Jaoui, Jean-Pierre Bacri
Darsteller: Agnès Jaoui , Jean-Pierre Bacri, Pascale Arbillot, Jamel Debouzze, Mimouna Hadji, Florence Loiret-Caille, Frédéric Perrot
Laufzeit: 100 Minuten
Kinostart: 30.7.2009
Verleih: Alamode

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Südfrankreich. Gemeinhin verbindet man mit dieser Gegend flirrend-heiße Sommertage, idyllische Landschaften, gutes Essen und noch bessere Weine. Zumindest die Sache mit dem perfekten Sommer-Wetter scheint in Agnès Jaouis melancholischer Komödie „Erzähl mir was vom Regen“ durchaus verbesserungswürdig. Denn statt strahlendem Sonnenschein erwartet uns und die Protagonisten ein eher trübes Grau und statt einer erholsamen Urlaubsatmosphäre beherrschen alte Konflikte und Spannungen den Fortgang der Ereignisse. Diese wurden von Jaoui und ihrem Co-Autor Jean-Pierre Bacri jedoch in höchst ironische, pointierte Dialoge verpackt, mit dem Ergebnis, dass Schwermut und Tristesse letztlich nur sehr begrenzt die Tonalität ihres Films bestimmen.

Im Zentrum der Geschichte steht die erfolgreiche Autorin und engagierte Feministin Agathe (Agnès Jaoui). Auf die emanzipierte Frau wartet demnächst eine neue Aufgabe – in der Politik. Im Rahmen ihres Wahlkampfes reist sie auch nach Südfrankreich und dort ausgerechnet an den Ort ihrer Kindheit, wo sie für einige Tage ihre Schwester Florence (Pascale Arbillot) und deren Familie besucht. Während dieser Zeit lässt sie sich von einem Fernsehteam begleiten, das mit ihr eine Reportage über starke, erfolgreiche Frauen plant. Was Agathe zunächst nicht ahnt: Ihre Schwester hat schon eine ganze Weile ein außereheliches Verhältnis. Michel (Jean-Pierre Bacri), ihr Geliebter, ist Journalist und zugleich derjenige, der Agathe interviewen soll.

Doch bei dieser einen Verwicklung bleibt es nicht. Michels Partner Karim (Jamel Debouzze) begegnet Agathe zunächst mit Argwohn und Skepsis. Ihm missfällt, dass seine inzwischen siebzigjährige Mutter immer noch als Haushälterin für Agathes Familie arbeitet. Als Sohn algerischer Einwanderer fühlt sich Karim zudem aufgrund seiner Hautfarbe oftmals benachteiligt und rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. Dennoch hält er unbeirrt an seinem großen Traum fest. Eines Tages will er als Filmemacher arbeiten und mit anspruchsvollen Dokumentationen seinen Lebensunterhalt verdienen. Bis es allerdings soweit ist, hält er sich mit einem eher anspruchslosen Rezeptionisten-Job in einem kleinen Hotel über Wasser. Obwohl auch er verheiratet ist, lässt er sich während der Arbeit immer wieder auf einen Flirt mit seiner Kollegin Aurélie (Florence Loiret-Caille) ein.

Für „Erzähl mir was vom Regen“ entfloh Agnès Jaoui der großstädtischen Hektik der Seinemetropole Paris. Ziel ihres Ausbruchsversuchs war die südfranzösische Provinz. Auch dort dreht sich erwartungsgemäß wieder einmal (fast) alles um die Sorgen, Wünsche und Beziehungsprobleme bürgerlicher Intellektueller. Agathes gesamte Familie ist gut situiert, angesehen und gebildet. Allein Karim und dessen Mutter nehmen diesbezüglich eine Sonderrolle ein, da ihnen eine andere kulturelle Sozialisation zuteil wurde und sie nicht in das vordefinierte bürgerliche Raster passen. Über ein dichtes, wechselseitiges Beziehungsgeflecht ist jeder gleichwohl mit dem Anderen verbunden, was erklärt, wieso Jaouis Film in seiner Struktur stark einem klassischen Ensemblestück ähnelt. Agathe ist hierbei der Fixpunkt, auf den alle Episoden zulaufen und der die an sich wenig spektakuläre Handlung wie eine unsichtbare Klammer umschließt.

Verglichen mit den früheren Werken des Schauspieler-Autoren-Ehepaars Jaoui/Bacri erscheint der Humor dieser südfranzösischen Landpartie wesentlich direkter, vorherrschender aber auch trivialer. Nicht selten zieht ihr Film gerade aus der Überzeichnung bestimmter Klischees wie die des wortkargen Bauers seinen Witz. Selbst für harmlose Albernheiten (Stichwort: Kiffen) zeigen sich Jaoui und Bacri empfänglich. Wieder aufgewogen werden solch eher zweifelhaften Entscheidungen von den treffsicheren, verspielten Dialogen, die zumeist souverän zwischen Selbstironie und Zynismus variieren. Dass im Hintergrund derweil komplexe, ernste Themen verhandelt werden – unter anderem werden einseitige Abhängigkeiten, angstbesetzte Lebensentwürfe und tief sitzende Vorurteile seziert – fällt so richtig erst viel später auf.

Marcus Wessel

Aus dem Leben von acht Personen wird hier auf intelligente, witzige und unterhaltsame Weise ein Abschnitt gezeigt. Sie sind durch Verwandtschaft, Freundschaft oder Arbeit miteinander verbunden, und sie haben im Grunde alle das gleiche Problem: Irgendwie sehen sie sich bis zu einem gewissen Grad benachteiligt oder ungerecht behandelt, fühlen sie sich als Opfer.

Südfranzösische Provinz. Urlaubszeit. Da ist zunächst Agathe. Sie will in die Politik einsteigen, denn ihrer Ansicht nach tut Feminismus not. Die Beziehung zu ihrem Freund Antoine steht auf der Kippe.

Michel ist der nächste. Er kann seinen Sohn nur selten sehen. Das Sorgerecht erhielt seine Frau. Außerdem geht fast alles, was er unternimmt, mehr oder weniger daneben.

Karim ist zwar in Frankreich geboren, wird aber immer noch als Migrant, als Ausländer angesehen und behandelt. Eine Demütigung, manchmal sogar eine Erniedrigung.

Florence ist Agathes Schwester. Sie liebt ihren Mann Stéphane nicht mehr. Aber sie wagt es nicht, ihre Familie im Stich zu lassen und ihr Leben zu ändern.

Animonna ist Karims Mutter. Jahrzehntelang führte sie der Familie von Agathe und Florence den Haushalt. Jetzt ist kein Geld mehr da. Sie muss gehen.

Aurélie ist verrückt nach Karim. Der jedoch ist verheiratet und möchte treu bleiben. Allerdings nicht mehr lange.

Karim und Michel wollen – das ist der Haupthandlungsstrang – mit Agathe unbedingt einen Interview-Film drehen. Das Ganze wird zur Achterbahnfahrt.

Agnès Jaoui hat mit Drehbuch, Regie und Schauspielern – sie ist in dem Film selbst Agathe – eine ziemlich glückliche Hand. Das bewies sie bereits in ihren vorhergehenden Filmen und nun auch hier wieder. Das Ganze ist leichtfüßig, dramaturgisch eingängig, mit Tempo und ganz schön lebensnah inszeniert, so dass man sich angenehm unterhalten kann – nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Sie hat Mitdarsteller gecastet, die Farbe in die Bude bringen: Jean-Pierre Bacri beispielsweise als unbeholfener Michel, Jamel Debouze als einem Traum nachhängender Hotelportier und Filmemacher Karim, Pascale Arbillot als zwischen Pflicht und Leidenschaft hin und her gerissene Florence oder Florence Loiret-Caille als Möchtegern-Liebhaberin Aurélie.

Thomas Engel