Es ist kompliziert…!

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In kaum einem anderen Genre sind feste Regeln und Gesetzmäßigkeiten so weit verbreitet wie in der romantischen Komödie. Das lässt viele Filme nicht nur vorhersehbar sondern auch sehr formalhaft und farblos erscheinen. Ein kleiner Glücksfall ist daher diese britische RomCom, in der ein Blind Date unter falschen Vorzeichen beginnt und sich in einen turbulenten, witzigen und sehr charmanten Streifzug durch London verwandelt. Die Anziehungskraft zwischen Simon Pegg und Lake Bell, die ihre Rollen mit großer Spielfreude ausfüllen, wirkt wie so vieles hier authentisch und glaubhaft. „Es ist kompliziert...!“ könnte mit diesen Qualitäten selbst RomCom-Gegner überzeugen.

Webseite: www.esistkompliziert.studiocanal.de

OT: Man up
GB 2015
Regie: Ben Palmer
Drehbuch: Tess Morris
Darsteller: Lake Bell, Simon Pegg, Rory Kinnear, Olivia Williams, Sharon Horgan, Ophelia Lovibond
Laufzeit: 88 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 30.7.2015
 

FILMKRITIK:

Die Steigerung eines Dates ist das Blind Date, an dem sich eigentlich nur Fortgeschrittene versuchen sollten. Zumindest dürfte das die Meinung von Mittdreißigerin und Dauer-Single Nancy (Lake Bell) sein. Immerhin endete ihr letztes, von Freunden arrangiertes Treffen wieder einmal in einer ziemlichen Katastrophe – und zwar für alle Beteiligten. Nach dieser Peinlichkeit hat die von ihrem Liebesleben zunehmend enttäuschte Nancy eigentlich gar keine Lust mehr, in nächster Zeit einen Mann kennenzulernen. Doch es kommt anders. Unter der großen Uhr im Bahnhof Waterloo begegnet sie Jack (Simon Pegg), als dieser auf sein Blind Date mit Namen Jessica wartet. Wie ein Blitz stürzt er sich auf Nancy. Noch bevor die so Überraschte die offenkundige Verwechslung erklären kann, befindet sie sich mittendrin in einem skurrilen, witzigen und vollkommen unerwarteten Blind Date. Zusammen brechen beide schließlich in einen turbulenten Londoner Abend auf.
 
Was sie in den nächsten Stunden erleben soll, ist nicht selten hinreißend komisch, manchmal albern und mindestens in einem Fall ein echter Angriff auf das von nur noch wenigen romantischen Komödien erreichte Herzschmerzzentrum des Publikums. Das Drehbuch von Tess Morris weiß sehr genau um die praktisch unverrückbaren Gesetzmäßigkeiten des Genres und bleibt doch erstaunlich eigenständig. Bereits Simon Pegg („Shaun of the Dead“) und die Amerikanerin Lake Bell, die beide in einer Hollywood-Produktion vermutlich nur als der zotenreißende Sidekick besetzt würden, machen mit ihrem lustvollen, ehrlichen Spiel einen jederzeit erkennbaren Unterschied aus. Gerade Bell widersetzt sich den gängigen Attributen des weiblichen RomCom-Personals. Ihre Figur besitzt Widersprüche, Ecken und Kanten und entwickelt so im Verlauf des fast komplett auf einen einzigen Abend konzentrierten Plots einen keinesfalls nur behaupteten Authentizitätsanspruch. Der von Morris benannte Vergleich mit Kristin Wiigs desillusionierter Brautjungfer aus „Brautalarm“ erscheint daher recht naheliegend.
 
Obwohl „Es ist kompliziert...!“ bis zum überaus charmanten Happy End die RomCom-Regeln befolgt, gelingt es Regisseur Ben Palmer, sein eigenes Tempo mit sehr britischen Akzenten zu etablieren. Dass der Film ausschließlich an Originalschauplätzen in London gedreht wurde, von denen viele etwas abseits der üblichen Touristenpfade liegen, erweist sich als kluger Schachzug. So lebt die Geschichte mehr von ihrer atmosphärischen Dichte und der Spielfreude ihrer beiden Hauptdarsteller als von großen Gesten oder gar überraschenden Einfällen. Gelegentlich mag man darin sogar ein auf die Altersgruppe Ü30 umgeschriebenes Remake der Teenager-Romanze „Nick und Norah – Soundtrack einer Nacht“ oder die Komödienausgabe von Richard Linklaters „Before Sunset“-Reihe erkennen.
 
Selbst wenn Morris und Palmer ihre chaotische Blind-Date-Story vom Start weg mit viel Schwung und Wortwitz erzählen, bleibt das Gerüst ihres Films am Ende altbekannt. „Es ist kompliziert...!“ leugnet zu keiner Zeit seine Identität als romantische Komödie, was ihm durchaus viele Sympathien einbringen dürfte. In dieser klassischen „Boy meets Girl“-Geschichte ist kein Platz für Zynismus oder Zweifel an der großen Liebe. Letztere existiert dort draußen für jeden von uns. Man muss manchmal nur bereit sein, mit etwas Mut aus dem eigenen Alltag auszubrechen. Diese Botschaft schreit „Es ist kompliziert...“ mit ganzer Überzeugung in die Welt hinaus.
 
Marcus Wessel