Es ist schwer, ein Gott zu sein

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Wenn sich ein Film zwölf Jahre in der Produktion befindet und erst posthum ins Kino kommt, dann ist es besonders schwer, ihn mit normalen Maßstäben zu bewerten. Erst recht, wenn er wie im Fall von Aleksei Germans „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ auf jegliche Narration verzichtet und mehr ein physischer Zustand ist als ein nachvollziehbares filmisches Werk.

Webseite: www.bildstoerung.tv

OT: Trudno byt‘ bogom
Russland 2013
Regie: Aleksei German
Buch: nach dem Roman von Arkady and Boris Strugatsky
Darsteller Leonid Yarmolnik, Aleksandr Chutko, Yuriy Tsurilo, Evgeniy Gerchakov, Natalia Moteva, Aleksandr Ilin
Länge: 177 Minuten
Verleih: Bildstörung/
Kinostart: 3. September 2015
 

FILMKRITIK:

Seitdem 1964 der gleichnamige Roman der legendären Strugatsky-Brüder erschien (die auch die Vorlage zu Andrei Tarkovskys „Stalker“ geschrieben hatten) wollte Aleksei German „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ verfilmen, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch keinen Film gedreht hatte. Viele wurden es in den Jahren danach nicht, ganze fünf drehte er zwischen 1968 und 1998, erarbeitete sich aber zumindest in Cineastenkreisen den Ruf eines der wichtigsten, wenngleich auch enigmatischsten Regisseure Russlands. 2000 begannen schließlich in Leningrad und Prag die Dreharbeiten an seinem Magnum Opus, die mit zahlreichen Unterbrechungen bis 2006 dauerten. Danach kam jahrelang nichts, arbeitete German am Schnitt, wurde „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ langsam zu einem verlorenen Film, der wohl nie das Licht der Öffentlichkeit erreichen würde. 2012 lief sogar ein Dokumentarfilm über ihn im Kino, doch dann, beim Festival von Rom 2013, kurz nach dem Tod Germans kam es dann doch zur Premiere. Zu Ende gestellt von Germans Frau Svetlana Karmalita und dem inzwischen selbst als Regisseur arbeitenden Aleksei Jr. ist „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ nun also fertig. – Was auch immer das in diesem Fall bedeutet.

Die „Handlung“ ist einfach: Eine Gruppe von Wissenschaftlern wird auf den Planeten Arkanar geschickt, wo sie die fremde Kultur beobachten sollen. Eingreifen dürfen sie nicht und so muss Don Rumata (Leonid Yarmolnik) mit ansehen, wie die Welt in Chaos und Gewalt versinkt. Das ist wenig und viel zugleich und so ist auch der Film als Ganzes: Alles und Nichts, Versatzstück, Zitat, Anspielung, Vision, Metapher, Exzess.

Zunächst einmal ist die Welt, die German mit Hilfe seiner grandiosen Bühnenbildner und seiner brillanten Kameraleute entstehen lässt ein einziger, mittelalterlicher Abgrund. Denn der Planet Arkanar ist nicht etwa futuristisch, sondern ähnelt den finstersten Bildern des europäischen Mittelalters und das bedeutet: Unmengen an Dreck, Matsch, Kot, Blut und anderen Körperflüssigkeiten, die in Unmengen fließen. Bevölkert ist diese Welt von verkommenen, brutalen, übersexualisierten Gestalten, die um die Macht kämpfen und jeden Ansatz von Zivilisation zerstören. Wie eine gelegentlich Informationshappen feilbietende Erzählerstimme andeutet herrscht ein Krieg zwischen „Grauen“ und „Schwarzen“, die unter all dem Dreck und der schwarz-weißen Fotografie allerdings nicht zu unterscheiden sind, was natürlich der Punkt ist. Man mag hier an die „Weißen“ und „Roten“ der russischen Revolution denken, aber auch an die schwarzen Truppen der sowjetischen Staatsicherheit, die in den 60er Jahren Intellektuelle und andere unliebsame Elemente in die Gulags warfen. Doch auch an die Repressionen von Putins „modernem“ Russland muss man unweigerlich denken, was schließlich zeigt, wie zeitlos und universell die Welt ist, die German hier evoziert.

Mittelalterliche Exzesse a la Breughel oder Bosch waren fraglos eines der Vorbilder, und dementsprechend barock und überladen sind auch Germans Bilder: In langen, elaborierten Kamerafahrten, die ihre Kunstfertigkeit aber nie ausstellen, fährt er durch seine Welt, kommt den vor Dreck stehenden Charakteren so nah, dass man den Schmutz zu spüren scheint, und ist dabei vielleicht der Einzige, der nicht den Überblick verliert. Als Zuschauer muss man sich ganz den Bildern von „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ hingeben, bewusst in eine Welt eintauchen, in die man eigentlich nicht eintauchen will. Dem Werk Germans auf abstrakt intellektuelle Weise gerecht zu werden ist schwer, dafür ist es zu fragmentarisch. Ein Erlebnis besonderer Art ist er allerdings ohne Frage.
 
Michael Meyns