Escobar – Paradise lost

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Aus ungewöhnlicher Perspektive erzählt der Schauspieler Andrea Di Stefano in seinem Regiedebüt „Escobar – Paradise Lost“ von der Faszination, die der Drogenbaron Pablo Escobar trotz seiner Brutalität auslöste. Anfangs etwas sperrig entwickelt der Film bald erstaunliche Dynamik und wird zu einem spannenden, rohen Thriller.

Webseite: www.alamodefilm.de

Frankreich/ Spanien/ Belgien/ Panama 2014
Regie, Buch: Andrea Di Stefano
Darsteller: Benicio del Toro, Josh Hutcherson, Claudia Traisac, Brady Corbet
Länge: 114 Minuten
Verleih: Alamode Film
Kinostart: 9. Juli 2015
 

FILMKRITIK:

Das Kino liebt Verbrecher, die Faszination von Kriminalität, Macht, Geld. Andererseits muss dem moralischen Empfinden des Publikums Genüge getan werden, dürfen auch die schillerndsten Verbrecher nicht ungestraft davonkommen, muss am Ende das Böse gesühnt werden. Diese beiden sich eigentlich widerstrebenden Pole bringt der bislang als Schauspieler bekannte Andrea di Stefano („Life of Pi“, „Nine“) in seinem Regiedebüt „Escobar – Paradise Lost“ auf originelle Weise zusammen.

Mit konsequentem Blick von Außen erzählt er von Pablo Escobar, der in den 80er Jahren zum mächtigsten Drogenboss der Welt wurde. Über 30 Milliarden Dollar soll sein durch Kokainhandel erworbenes Vermögen betragen haben, er versorgte die halbe Welt mit Kokain, aber bedachte als selbst ernannter Robin Hood auch die arme Landbevölkerung Kolumbiens mit Schulen und Krankenhäusern. Und so beginnt auch der zwar auf Tatsachen basierende, im Kern aber fiktive Film: Der junge, etwas naive kanadische Surfer Nick (Josh Hutcherson) lernt die hübsche Kolumbianerin Maria (Claudia Traisac) kennen. Diese baut gerade ein Spital in einem Dorf auf, an dessen Strand Nick und sein Bruder Dylan (Brady Corbett) nichts anders wollen als Surfen und das Paradies auf Erden genießen. Nick und Maria verlieben sich und bald kommt es zu dem Moment, der ohnehin gefürchtet ist: Das Kennenlernen der Familie. Und wenn die Familie vor allem aus Onkel Pablo besteht, kann man als zukünftiger Schwiegersohn schon mal Panik bekommen. Doch Nicks Sorgen scheinen unbegründet zu sein, denn Onkel Pablo (Benicio del Toro) wirkt wie ein jovialer Mann, nett, umgänglich, vor allem um das Wohl seiner Familie bedacht. Bald arbeitet Nick auf der mondänen Farm von Pablo und fühlt sich pudelwohl, auch wenn er schon mal beobachtet, wie sich Mitarbeiter das Blut vom Körper waschen. Als die kolumbianische Regierung jedoch zunehmend Druck ausübt, verändert sich die Situation. Doch um unbehelligt aus den Fängen Pablos zu entkommen, ist Nick schon viel zu sehr involviert.

In der Rolle des Pablo Escobar kann man sich niemanden besser vorstellen als Benicio del Toro, dem es gelingt, sowohl das Charisma, als auch die Abgründe des Drogenbarons zu verkörpern. Dass Escobar trotz seiner Präsenz dennoch nur eine Nebenrolle spielt, erspart es Di Stefano, aber auch dem Zuschauer, sein Handeln zu bewerten. Szenen, in denen Escobar brutale Rache anordnet stehen gleichberechtigt neben Momenten, in denen er ein Krankenhaus eröffnet oder Geld verteilt. Die verklärte Begeisterung, die gerade die ärmere Bevölkerung Kolumbiens Escobar entgegenbrachte wird einerseits spürbar, andererseits stets von Skepsis begleitet. Nicht zuletzt durch den konstant verwirrt wirkenden Josh Hutcherson, der schon in seiner bekanntesten Rolle in den „Tributen von Panem“ vor allem blass ist, was sich hier besonders bewährt: Anfangs lässt er sich noch vom Charme Onkel Pablos einlullen, später wird er erkennen, welche Methoden Escobar anwendet. Zeit zum Denken hat Nick da kaum noch und auch der Film entwickelt sich in der zweiten Hälfte zum zunehmend atemlosen Spektakel. Während Escobar sich den Behörden stellt wird Nick von Häschern des Drogenbarons quer durch Kolumbien gejagt. Wie hier der innere und äußere Blick auf Pablo Escobar kontrastiert wird lässt „Escobar – Paradise Lost“ zu einem spannenden Thriller werden, der trotz seiner etwas konstruierten Geschichte viel über die Faszination und die Verführungskraft eines abstoßenden, aber auch schillernden Verbrechers erzählt.
 
Michael Meyns