Everyday Rebellion

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Es rumort in der Welt: Nicht nur in autokratischen Staaten wird der Protest gegen die Machthaber immer lauter, auch in der mehr oder weniger freien westlichen Welt wächst der Protest gegen Machtmissbrauch, Missstände und Ungerechtigkeit. Was man dagegen tun kann ist die Frage hinter der Dokumentation „Everyday Rebellion“, der Brüder Riahi, deren Antworten allerdings nur bedingt überzeugen.

Webseite: www.everydayrebellion.wfilm.de

Österreich/ Schweiz/ Deutschland 2012 - Dokumentation
Regie, Buch: Arash T. Riahi, Arman T. Riahi
Länge: 118 Minuten
Verleih: W-Film
Kinostart: 11. September 2014

FILMKRITIK:

Tahir Square, Occupy, Femen. Dies sind nur die bekanntesten Schlagwörter, die in kaum einer der immer zahlreicher werdenden Dokumentationen über unterschiedliche Formen des Protestes fehlen dürfen, die in den letzten Jahren ins Kino kommen. Kaum eine Protestbewegung ist nicht in einer oder mehreren Dokumentation porträtiert worden, von den „Yes Men“ über die „Love Police“ die Porno-Aktivisten von „Fuck for Forest“ und nicht zuletzt den verschiedenen Occupy-Gruppen. Diese und andere Gruppen und Aktivisten tauchen auch in „Everyday Rebellion“ auf, für den die Regisseure Arash und Arman Riahi augenscheinlich ein paar Mal um die Welt geflogen sind.

Doch ihr Film ist nicht einfach nur ein Überblick über zeitgenössische Formen des Protests, sondern versucht die These zu untermauern, dass es vor allem gewaltfreier Protest ist, der langfristig Erfolg verspricht. Zu diesem Zweck zeigen die Regisseure verschiedene Beispiele vom harmlosen Umarmen von Polizisten durch Mitglieder der „Love Police“, den gruppendynamischen Diskussionsformen der Occupy-Bewegung, bis hin zu den medienwirksamen Nacktaktionen der selbsternannten Feministinnen von Femen. Hinzu kommen Bilder aus dem Iran (von wo die Brüder in den Achtziger Jahren zusammen mit ihren Eltern fliehen mussten, die gegen das Mullah-Regime protestiert hatten), aus Syrien und Ägypten, wo die Proteste gegen die jeweiligen autokratischen Herrscher nicht wirklich von Erfolg gekrönt sind.

Eine Tatsache, die die Regisseure allerdings geflissentlich ignorieren oder zumindest übersehen. Um ihre These vom Erfolg des gewaltlosen Widerstands zu untermauern wird in erster Linie das Beispiel Gandhi herangezogen und eine Wissenschaftlerin zitiert, die die These der Brüder bestätigt, ohne sie jedoch mit Beispielen zu belegen. So mutet „Everyday Rebellion“ immer wieder wie hehres Wunschdenken an, dass die Ziele der vorgestellten Protestbewegungen unterstützt, aber nicht wahrhaben will, dass weder in einem der arabischen Länder inzwischen die Demokratie gesiegt hat, noch die Ukraine auf dem Weg aus der Krise ist und schon gar nicht der Kapitalismus ins Wanken geraten ist.

Während der große Bogen des Films eher schwammig bleibt sind die einzelnen Personen, die vorgestellt werden deutlich interessanter: Die Femen-Aktivisten etwa, die in Kiew ein Holzkreuz mit der Kettensäge durchsägt, vom Staat verfolgt wird und nach Paris fliehen muss, wo sie ihre Aktionen fortführen will. Oder ein Computertechniker aus Madrid, der seit längerem Arbeitslos ist und nun mit der Zwangsräumung bedroht ist. Mit gleich gesinnten protestiert er gegen die fragwürdige Wohnungsmarktpolitik in Spanien, nicht unbedingt mit viel Hoffnung auf Erfolg, aber doch mit ungebrochenem Willen. Im großen Ganzen der Weltpolitik mag dies nur ein Nebenkampfplatz sein, auf dem mit ausdauerndem, friedlichem Protest aber womöglich mehr zu erreichen ist, als wenn es darum geht, gleich eine Regierung zu stürzen. In solchen Momenten gelingt es den Riahi-Brüdern schließlich doch zu zeigen, dass Gewaltlosigkeit heutzutage vielleicht keine Regierungen mehr stürzt, aber doch die bessere Lösung ist.
 
Michael Meyns