Everything Everywhere All At Once

Zum Vergrößern klicken

Bei den Filmen des Studios A24 ist Aufhorchen immer angebracht. Egal, um welches Genre es sich handelt, hier präsentiert man Filme, die am besten mit dem Wort „ungewöhnlich“ beschrieben sind. Das gilt auch für „Everything Everywhere All At Once“, der seine Heldin durch parallele Welten reisen lässt, um zu verhindern, dass das Multiversum selbst vor die Hunde geht. Klingt nach typischer Blockbuster-Kost á la Marvel, ist hier jedoch ein phantasievolles, vielschichtiges Kleinod.

Website: https://www.leoninedistribution.com/filme/160284/everything-everywhere-all-at-once.html

USA 2022
Regie: Dan Kwan, Daniel Scheinert
Buch: Dan Kwan, Daniel Scheinert
Darsteller: Michelle Yeoh, Stephanie Hsu, Ke Huy Quan, Jamie Lee Curtis

Länge: 132 Minuten
Verleih: Leonine
Kinostart: 28. April 2022

FILMKRITIK:

Evelyn (Michelle Yeoh) ist vor Jahrzehnten mit ihrem Mann Waymond (Ke Huy Quan) in die USA gezogen. Ihr Leben hat sich nicht ideal entwickelt. Mit ihrer Tochter gerät sie immer aneinander und der Waschsalon erlaubt auch keine großen Sprünge. Als sie mit einer Finanzbeamtin (Jamie Lee Curtis) wegen der steuerlichen Last sprechen muss, verändert sich ihr Mann. Er ist nicht mehr er selbst, sondern eine alternative Version aus einer parallelen Welt – der Alpha-Welt, wenn man so will. Der jetzt coole und kampferprobte Waymond rekrutiert Evelyn, denn sie ist der Schlüssel im Kampf gegen Jobu Tupaki, die droht, das ganze Multiversum zu vernichten. Dafür muss Evelyn nun zwischen den Welten wechseln und dafür die Fertigkeiten alternativer Versionen ihrer Selbst nutzen. Doch ist sie dem überhaupt gewachsen?

Der Film strotzt geradezu vor wilden, manchmal auch irrsinnigen Ideen. Er ist bis zum Bersten angefüllt mit Details, die bei der ersten Sichtung sicherlich nicht alle erkannt werden können. Ein Film wie dieser lädt zum mehrmaligen Sehen ein, schon allein, um die Brillanz des Drehbuchs gebührend würdigen zu können. Denn die beiden Filmemacher Dan Kwan und Daniel Scheinert wechseln zwischen Welten und alternativen Personen mit ausgesprochener Rasanz, verlieren dabei aber nie den eigentlichen Erzählfaden aus den Augen.

Der Film ist in jeder Beziehung überwältigend. Der Formatwechsel des Bildes ist interessant, die Rückblicke auf die alternativen Leben sind dann im Stil alter Familienvideos gehalten. Dazu gibt es Martials Arts, die an die großen Wuxia-Filme aus China erinnern, aber auch Kampfchoreographien, die Jackie Chan gut zu Gesicht gestanden hätten. Überraschend gut ist in dieser Disziplin Ke Huy Quan, den man schon jahrelang nicht mehr im Kino gesehen hat. Wem er bekannt vorkommt: Er war Indys kleiner Freund in „Indiana Jones und der Tempel des Todes“.

Die Idee der alternativen Versionen der Hauptfiguren ist interessant, weil man auch sieht, wie einzelne Entscheidungen zu ganz anderen Ergebnissen führten. Aber der Film macht davor nicht halt. Er zeigt auch Welten, in denen die Menschen Finger haben, die wie Würstchen geformt sind, oder solche, in denen man sein Dasein als Stein fristet. Und nach gut 80 Minuten endet der Film sogar – inklusive Nachspann. Nur um dann so richtig in die Vollen zu gehen.

„Everything Everywhere All At Once“ ist genau das, insbesondere auch beim Finale, wenn alle Welten, alle alternativen Versionen, alle Geschichten stakkatoartig auf den Zuschauer einprasseln. Kein Film, der es einem leicht macht, aber ein mehr als zweistündiger Trip, nachdem man das Verlangen hat, dieses Werk gleich nochmal zu sehen.

Peter Osteried