Evil Dead Rise

Zum Vergrößern klicken

Die Dämonen finden keine Ruhe! Zehn Jahre nach „Evil Dead“, einer Art Remake von Sam Raimis Low-Budget-Horrorklassiker „Tanz der Teufel“, kehrt das Grauen auf die Leinwände zurück. Fede Alvarez, Regisseur der beinharten Auffrischung, sollte ursprünglich eine direkte Fortsetzung inszenieren, hat nun mit dem fünften Eintrag in die 1981 gestartete „Tanz der Teufel“-Kinoreihe allerdings nichts mehr am Hut. Am Steuer stand vielmehr sein irischer Kollege Lee Cronin, der einen noch blutigeren Schocker mit gänzlich neuen Figuren vorlegt. „Evil Dead Rise“ ist – Achtung: keine Floskel! – nichts für Zartbesaitete und entpuppt sich als durchaus gelungene Wiederbelebung, die auf den Slapstick-Humor aus „Tanz der Teufel 2“ und „Armee der Finsternis“ gänzlich verzichtet.

Webseite: https://www.warnerbros.de/de-de/filme/evil-dead-rise#info

Regie: Lee Cronin
Drehbuch: Lee Cronin
Darsteller: Lily Sullivan, Alyssa Sutherland, Gabrielle Echols, Morgan Davies, Nell Fisher, Mirabai Pease, Richard Crouchley, Anna-Maree Thomas u. a.

Länge: 97 Minuten
FSK: ab 18 Jahren
Verleih/Vertrieb: Warner Bros. Germany
Kinostart: 27.04.2023

FILMKRITIK:

Zunächst scheint alles wie so oft: Junge Menschen wollen in einer Hütte in der Wildnis die Seele baumeln lassen – und werden plötzlich dahingemetzelt. Cronin imitiert in seinem Werk gleich zu Beginn die entfesselte Kamerafahrt durch den Wald, die in Raimis einflussreichem Splatter-Streifen den Ton für das nachfolgende Chaos setzt. „Evil Dead Rise“ verneigt sich durch die Bildgestaltung einerseits vor dem Original, überrascht das Publikum in einem nächsten Schritt aber mit einem gewitzten, modernen Dreh. Ein erster Hinweis, dass wir es hier nicht mit einer dieser leider so typischen schlampig heruntergekurbelten Horrorarbeiten zu tun haben, die sich einzig im Glanz etablierter Marken sonnen wollen.

Der zweite Twist folgt praktisch auf dem Fuß. Nicht das einsam gelegene Feriendomizil ist der Hauptschauplatz des Films, sondern ein heruntergekommenes Wohnhaus in Los Angeles. Nach dem griffigen Prolog springt die Handlung einen Tag zurück, und es betreten die eigentlichen Hauptfiguren die Bühne: Als die Gitarrentechnikerin Beth (Lily Sullivan) von einer kräftezehrenden Tournee heimkehrt, stellt sie entgeistert fest, dass sie schwanger ist. Verdauen will sie diese Nachricht bei ihrer entfremdeten Schwester Ellie (Alyssa Sutherland), die sich nach der Flucht ihres Ehemannes allein um ihre Kinder Bridget (Gabrielle Echols), Danny (Morgan Davies) und Kassie (Nell Fisher) kümmern muss und noch dazu kurz vor einem Umzug steht.

Viel Zeit bleibt den beiden Frauen nicht, um sich wieder anzunähern. Denn ein kurzes, aber heftiges Erdbeben sorgt schon bald für undenkbares Grauen. Ein Loch, das sich im Boden der Tiefgarage auftut, gibt den Blick auf einen Tresor frei, aus dem der neugierige Danny ein uraltes, schaurig aussehendes Buch und ein paar Schallplatten entnimmt. Kenner der Reihe wissen natürlich, dass es sich bei dem Schriftstück nur um ein Exemplar vom Buch der Toten, dem sogenannten Necronomicon, handeln kann. In seinem Zimmer öffnet Ellies Sohn kurz darauf das Artefakt, lauscht den Beschwörungen auf einer der gefundenen Tonträger – und entfesselt so die dämonischen Mächte, die als Erstes von seiner Mutter Besitz ergreifen.

Inhaltlich ist „Evil Dead Rise“ sicherlich etwas schematisch gebaut. Auf der einen Seite haben wir Beth, die Cronins Drehbuch als eine ungebundene, rastlose junge Frau ohne großes Verantwortungsgefühl zeichnet. Tattoo-Künstlerin Ellie ist zwar nicht gerade der Inbegriff des Spießertums, abgeklärter und umsichtiger erscheint sie im Vergleich aber allemal. Besonders jetzt, da sie verlassen wurde, will sie für ihre Kindern da sein und hätte sich in dieser Lage etwas Unterstützung von Beth gewünscht. Auf perfide Weise zugespitzt werden die Spannungen dadurch, dass Ellie unverhofft zu einer wilden Schreckgestalt mutiert.

Große prophetische Qualitäten braucht es nicht, um zu erahnen, worauf eben diese Konstellation hinausläuft. Beth, die ein Kind in sich trägt und daran zu knabbern hat, muss lernen, für ihre Handlungen und Entscheidungen einzustehen, und bereitet sich durch den Kampf gegen ihre grotesk verwandelte Schwester auf ihre Mutterrolle vor. Was es heißt, für einen anderen Menschen zu sorgen, ihm Stütze zu sein und Kraft zu geben, untersuchte Lee Cronin schon in seinem stimmungsvollen Spielfilmdebüt „The Hole in the Ground“, einem Horrordrama, das die Beziehung zwischen einer beunruhigten Frau und ihrem nach einem Umzug aufs Land wie ausgetauscht wirkenden Sohn beschreibt. „Evil Dead Rise“ erforscht die Dynamiken der Charaktere nicht besonders tiefschürfend, hat aber eine solide emotionale Grundierung. Nicht zuletzt, weil die schauspielerischen Leistungen recht überzeugend ausfallen und es dieses Mal sogar Kindern richtig an den Kragen geht.

Der Regisseur kennt keine Gnade, lässt das Blut nur so spritzen und schafft es dabei, eine durchdringend klaustrophobische Atmosphäre zu erzeugen. Wie das funktioniert? Indem er schräge, ungewöhnliche Perspektiven einsetzt, souverän mit der Tonspur hantiert und das ungemütliche Setting mit seinen schummrigen Gängen, seinem verrücktspielenden Aufzug und seiner verlassenen Tiefgarage wirkungsvoll inszeniert. Am heftigsten treffen einen nicht die aufdringlichen, lauten Buh-Effekte, sondern die kleinen Schocks, bei denen etwa alltägliche Gegenstände zweckentfremdet werden. Wie es ist, sich an einer Käsereibe zu verletzen, kann sich jeder vorstellen. Und gerade deshalb schmerzt es so sehr, wenn genau dieses Haushaltsgerät im Film anders als üblich verwendet wird. Cronin hat einige herrlich böse Ideen in petto, beweist Kreativität in der optischen Gestaltung und bringt es tatsächlich fertig, im völlig eskalierenden Showdown noch einmal zwei Schippen draufzulegen. Keine Frage, wer Fede Alvarez‘ wenig zimperlichen Hüttenkoller packend fand, wird bei „Evil Dead Rise“ erst recht auf seine Kosten kommen.

 

Christopher Diekhaus