Expedition Niger – Pures Afrika

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Für einen kurzen Moment tauchte das westafrikanische Land Niger vor ein paar Monate auf dem Radar der westlichen Öffentlichkeit auf: Durch einen Militärputsch. Vielleicht ist dieses Ereignis nun Anlass, den schon ein paar Jahre alten Dokumentarfilm „Expedition Niger – Pures Afrika“ ins Kino zu bringen. In ihm bewegt sich Regisseur Roberto Fischers zwischen meist informativem Reisefilm und Momenten befremdlicher Afrika-Klischees.

Expedition Niger – Pures Afrika
Deutschland 2020
Regie & Buch: Roberto Fischer
Dokumentarfilm

Länge: 102 Minuten
Verleih: ImFilm
Kinostart: 2. November 2023

FILMKRITIK:

Es scheint das Schicksal des afrikanischen Kontinents zu sein, in erster Linie dann in den Blick der westlichen Öffentlichkeit zu geraten, wenn einmal mehr eine Regierung auf undemokratische Weise gestürzt wird, wenn es Missstände zu beklagen gibt – oder wenn es die atemberaubende Natur, die vielfältige Tierwelt des Kontinents zu bewundern gilt. Zwischentöne gibt es dagegen kaum, insofern wirkt Roberto Fischers Dokumentarfilm „Expedition Niger – Pures Afrika“ über weite Strecken erfreulich.
Der in München lebende Regisseur, Autor und Kameramann begleitete vor einigen Jahren den russischen Fotografen, Weltenbummler und Reiseveranstalter Alexey Kolbov bei einer Tour durch den westafrikanischen Saat Niger. Schon damals war die Sicherheitslage fragil, ohne Begleitschutz durch schwerbewaffnete Soldaten wagte sich die Gruppe in ihren Geländewagen nicht aus der Hauptstadt Niamey. Im Südwesten des Landes gelegen, bildete sie den Ausgangspunkt für eine Tour, die vor allem durch Wüstenregionen führte, nach Agadez, wo die Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt, bis nach Iférouane an der Grenze zur Sahara, dem Siedlungsgebiet der Tuareg-Nomaden, wo ein traditionelles Musik-Festival stattfindet.
Fischers Ansatz ist der eines klassischen Reisefilms, der stringent die Route der Expedition nachzeichnet, interessante und amüsante Beobachtungen zeigt, bisweilen die arg naiv wirkenden Expeditionsteilnehmer zu Wort kommen lässt, an manchen Momenten auch die Einheimischen. Zusammengehalten wird das Ganze durch einen über weite Strecken erfreulich nüchternen, informativen Kommentar, der keineswegs nur über die touristisch besonders bemerkenswerten Orte des Nigers erzählt, sondern auch über wirtschaftliche und politische Zusammenhänge informiert. Nicht in die Tiefe gehend natürlich, aber die Probleme des Landes, die durch die ständige Präsenz von bewaffneten Soldaten spürbar ist, auch nicht ausspart. Auch dass die Vielschichtigkeit des Glaubens beleuchtet wird, muss man dem Film hoch anrechnen. Zwar wird auf das oft sehr junge Verheiraten von Mädchen hingewiesen, aber ebenso auf das Recht der Frauen, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, ohne dass ihnen dadurch Repressalien drohen.
Angesichts dieser differenzierten Schilderung des Landes wirkt es um so bedauerlicher, das sich Fischer immer wieder zu befremdlichen Klischees hinreißen lässt und etwa ein ums andere Mal betont, das der Niger zwar eines der ärmsten Länder der Erde ist, aber dennoch voller Reichtum: „Reich wegen des Lächelns seiner Menschen, der Weiten seiner Wüsten und der Mystik seiner Völker“ heißt es da in weichgezeichnetem Afrika-Kitsch und etwas später sogar: „Schon jetzt sind wir abseits jeder Zivilisation, angekommen im puren Afrika“, als wäre das wahre Afrika (was auch immer das sein soll) nur jenseits von zivilisatorischen Errungenschaften wie Städten, Straßen und Urbanität zu finden. Trotz solch fragwürdiger Momente bleibt „Expedition Afrika“ jedoch ein sehenswerter Reisefilm, von dem man sich allerdings keine ganz aktuellen Einblicke in die Situation im Niger versprechen sollte.

Michael Meyns