Fairness - ein ebenso weiter wie unbestimmter Begriff, ein Wert, dem wohl auch jeder für ein anstrebenswertes Gut hält. Doch was ist Fairness überhaupt, wie wirkt sie sich auf das gesellschaftliche Miteinander auf, wie wird sie verletzt, was kann man tun, um sie zu stärken. Um diese Fragen dreht sich Alex Gabbays Dokumentation „Fairness - Zum Verständnis von Gerechtigkeit“, die ein schwieriges Thema auf interessante Weise behandelt.
Webseite: mindjazz-pictures.de
Dokumentation
OT: The Price of Fairness
Großbritannien 2017
Regie: Alex Gabbay
Länge: 77 Minuten
Verleih: mindjazz Pictures
Kinostart: 29. Juni 2017
FILMKRITIK:
Das Chefärzte mehr Geld verdienen als Ärzte im Praktikum ist selbstverständlich, oder? Das ein Politiker mehr verdient als ein Schuhverkäufer ebenfalls, oder? Das ein Spieler von Bayern München das zigfache eines Spielers der dritten Liga erhält auch, oder? Scheinbar selbstverständlich erscheint es auf den ersten Blick, dass bestimmte Tätigkeiten mit weit mehr Gehalt vergütet werden als andere. Wer mehr Verantwortung trägt, wer einen Beruf ausübt, für den es eine jahrelange Ausbildung oder besondere Talente benötigt, verdient auch mehr, so viel scheint klar.
Doch ist das wirklich so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick erscheint? Gerade die exorbitanten Gehälter und Bonuszahlungen für Manager, die immer weiter von den Durchschnittsgehältern eines jeden DAX-Unternehmen losgelöst sind, gerade die Phantasiesummen, die weltberühmte Profisportler verdienen, lassen immer mehr Menschen skeptisch werden und fragen, ob das denn noch gerecht ist.
Hier setzt der britische Dokumentarfilmer Alex Gabbay an, der es sich in seinem Film „Fairness - Zum Verständnis von Gerechtigkeit“ zur Aufgabe gemacht hat, einem abstrakten Konzept auf die Spur zu kommen. Denn wie er in den zahlreichen Gesprächen mit Soziologen, Wirtschaftswissenschaftlern, Politikern und Anderen immer wieder zeigt, ist Fairness oder Gerechtigkeit (die beiden Begriffe werden im Film etwas schwammig praktisch synonym verwendet) eine subjektive Größe.
Und wie ein beliebtes Experiment zeigt, auch in erheblichem Maße vom persönlichen Altruismus abhängig: Stellt man Probanden vor die Frage, ob sie eine bestimmte Geldsumme fair zwischen sich und einem anderen Teilnehmer aufteilen sollen, was aber nur gilt, wenn das Gegenüber sich ebenfalls so fair verhält, oder lieber alles für sich behalten, kommt man zu überraschenden Ergebnissen. Aufs große Ganze, also die Gesellschaft übertragen bedeutet dies ein Bewusstwerden, für mögliche immanente Ungerechtigkeiten des Wirtschaftssystems, für Ungleichverteilungen, die inzwischen schon so selbstverständlich geworden sind, dass sie von vielen gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Doch Gabbays Film ist keines jener flammenden antikapitalistischen Plädoyers, wie sie im Dokumentarfilmbereich zunehmend zu finden sind. Stattdessen zeigt Gabbay anhand unterschiedlicher, oft ganz kleiner Beispiele auf, wie Menschen sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Mal auf globaler, meist jedoch auf lokaler Ebene, oft sogar nur im kleinen Kreis. An diesen sprichwörtlichen Graswurzeln anzusetzen mag mühsam erscheinen, doch ein anderer Weg scheint kaum möglich, um in unseren Gesellschaften wieder ein Gespür für Fairness entstehen zu lassen, das, wie Alex Gabbay in seinem Film auf überzeugende Weise zeigt, dringend notwendig ist.
Michael Meyns