Familie Brasch

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Eine deutsche Geschichte lautet der Untertitel von Annekatrin Hendels Dokumentation „Familie Brasch“, was gut den weiten Bogen trifft, der vom Dritten Reich, über die DDR bis in die Gegenwart führt. Viele Themen und Konflikte lassen sich an den Biographien der Braschs festmachen, viele Geschichten und Anekdoten erzählen, was Hendels Film zu einem reichen, faszinierenden Film über Deutschland macht.

Webseite: www.Familie-Brasch-Film.de

Dokumentation
Deutschland 2018
Regie & Buch: Annekatrin Hendel
Länge: 103 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 16. August 2018

FILMKRITIK:

Vielleicht der bekannteste Brasch ist Thomas, Autor und Filmemacher, 1945 geboren, in der DDR sozialisiert, die er 1976 verlassen musste, 2001 gestorben. Allein seine Biographie würde für einen Film reichen und tatsächlich arbeitet Hendel gerade an einem Spielfilmprojekt über Thomas Brasch, der dann wohl diese Dokumentation vertiefen und ergänzen wird.
 
Das schwierige Verhältnis zu seinem Vater Horst ist eine der Säulen von Thomas Biographie, ein Vater, der während des Zweiten Weltkriegs, im englischen Exil, an der Gründung der FDJ beteiligt war und nach seiner Rückkehr immer wichtigere Positionen in der DDR einnahm. Positionen, die ihn immer wieder mit seinen Söhnen – neben Thomas sind das der 1950 geborene Klaus und der 1955 geborene Peter – in Konflikt brachte, die allesamt künstlerisch tätig waren und allesamt mehr oder weniger starke Kritiker des Systems waren.
 
Was in Thomas Fall schließlich gar zu einem zweimonatigen Gefängnisaufenthalt führte, vor dem ihn der Vater, trotzt bester Kontakte, nicht bewahrte und schließlich die Ausweisung 1976. Zusammen mit seiner damaligen Partnerin Katharina Thalbach musste Brasch seine Heimat verlassen, an die er trotz allem glaubte. Denn, und das ist einer der vielen spannenden Aspekte des Films, es geht hier weniger um ein dezidiertes Ablehnen dieses oder jenes Systems, sondern um eine Auseinandersetzung mit der Idee des Sozialismus, um Kritik an Irrwegen und Irrtümern, die aber stets geprägt von einem Glauben an die Richtigkeit dieser Idee war.
 
Wie Thomas und seine Brüder damit umgingen, davon erzählen Freunde, Geliebte und Wegbegleiter, der Maler und Autor Florian Havemann etwa, der Filmproduzent Joachim von Vietinghoff oder der Autor Christoph Hein. Unmittelbare Mitglieder der Familie Brasch gibt es dagegen kaum noch, der pater familia starb im August 1989, zufällig oder schicksalshafter Weise ein paar Wochen vor Ende der DDR, die drei Söhne sind allesamt schon verstorben, allein die 1961 geborene Tochter Marion lebt und arbeitet noch. Auch sie schreibt über ihre Familie, etwa in ihrem Roman „Ab jetzt ist Ruhe – Roman meiner fabelhaften Familie“ oder in Theaterstücken, an denen auch ihre Tochter Lena mitarbeitet.
 
Drei Generationen umfasst die Familie Brasch damit, drei Generationen, die einen Teil deutscher Geschichte der letzten fast einhundert Jahre miterlebt und auch mitgeprägt haben. Nicht den, der den Westdeutschen als der Wichtigste erscheinen mag, sondern den, des „anderen“ Deutschland. Nun, fast 30 Jahre nach dem Mauerfall scheint langsam eine differenzierte Darstellung der Geschichte und der Geschichten zu beginnen, die sich in der DDR abspielten, nicht mehr von einfachem, meist zu schlichtem schwarz-weiß Denken geprägt, sondern im Bemühen, vielschichtig zu sein. Dieser differenzierte Blick ist es, der Annekatrin Hendes „Familie Brasch“ so sehenswert macht.
 
Michael Meyns