Fassbinder

Zum Vergrößern klicken

70 Jahre wäre Rainer Werner Fassbinder in diesem Jahr geworden, Grund genug für die von seiner Ex-Frau geleiteten Stiftung, eine Dokumentation in Auftrag zu geben. Mit der Regie wurde Annekatrin Hendel ("Anderson") beauftragt, die mit "Fassbinder" eine als Einstieg in Leben und Werk des bedeutendsten deutschen Nachkriegsregisseurs durchaus sehenswerte Dokumentation abliefert, die allerdings nie die ausgetretenen Pfade verlässt.

ACHTUNG: Der Film wird schon am 27. Mai auf ARTE ausgestrahlt!

Webseite: www.realfictionfilme.de

Deutschland 2015 - Dokumentation
Regie, Buch: Annekatrin Hendel
Länge: 92 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 30. April 2015
 

FILMKRITIK:

Kaum vorstellbar, dass Rainer Werner Fassbinder am 30. Mai 2015 erst 70 Jahre alt geworden wäre, dass er 1982 mit erst 37 Jahren seinem jahrelangen exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum erlag. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er in einem kaum vorstellbaren und wohl auch von keinem Regisseur zu wiederholbarem Arbeitsdrang 44 Filme, Fernsehfilme und Serien gedreht. In ihrer Vielfalt, aber auch in der Variation der immer gleichen Themen reflektiert dieses Werk wie kein anderes die Nachkriegszeit, ja geradezu die deutsche Seele. Kein Wunder also, dass Fassbinder jahrelang im Ausland mehr gewürdigt wurde als in seiner Heimat, wo er jahrelang eher als Solitär betrachtet wurde als Nachfolger zu inspirieren.

Oft war die Fassbinder-Rezeption auf die skandalösen Elemente seines Lebens und seiner Persönlichkeit reduziert (darin der Wahrnehmung von Klaus Kinski und Werner Herzog nicht unähnlich), wurde eher über Fassbinders exzessive Persönlichkeit, seinen Alkohol- und Drogenkonsum, seine Bisexualität, sein Verhalten gegenüber Schauspielern und anderen Kollegen gesprochen, als über seine Filme. Diese oft einseitige Rezeption lag nicht zuletzt an Zeitzeugen und Mitstreitern wie Irm Hermann oder Harry Baer, die gerne und oft zu ihren Erfahrungen mit Fassbinder befragt wurden und in Talkshows, Dokumentationen und Fernsehbeiträgen immer wieder von ihrem fast als hörig zu bezeichnenden Verhältnis zu Fassbinder berichteten und damit das Bild eines exzessiven Regieberserkers festigten, der Menschen für seine Kunst gebrauchte, manipulierte und manchmal auch geradezu über Leichen ging.

So sieht das Fassbinder-Bild in etwa aus, so zeichnet auch Annekatrin Hendel in ihrem Film den Regisseur, in dem sie die bekannten Gesichter zu Wort kommen lässt, die die bekannten Anekdoten wiederholen. Hat man noch nie Irm Hermann, Harry Baer, Hanna Shygulla, Hark Bohm, Volker Schlöndorff, Juliane Lorenz oder manch andere über ihr Verhältnis zu Fassbinder reden gehört, dann hat "Fassbinder" fraglos Neues zu bieten. Kennt man jedoch die ein oder andere der vielen Fassbinder-Dokumentationen, dann stellt sich hier recht bald die Frage, ob Hendel denn einen neuen Ansatz zu Leben und Werk Fassbinders entwickelt, ob sie etwas anderes zeigen möchte, als das Bekannte. Penibel erzählt sie Fassbinders Leben nach, zeigt Ausschnitte aus Filmen und Theaterstücken, erzählt von Ablehnung und Erfolgen, einen eigenen Zugang entwickelt sie jedoch nicht.

Dieser konservative Ansatz, der oft Gefahr läuft, zur reinen Hagiographie zu werden, mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass die von Juliane Lorenz geleitete Rainer-Werner-Fassbinder-Foundation Initiator des Films war. Und diese hat augenscheinlich kein Interesse daran, das seit Jahrzehnten etablierte Bild einer Revision oder auch nur einer Neuinterpretation zu unterziehen. Was Annekatrin Hendels "Fassbinder" am Ende ist, ist eine als erste Einführung in Fassbinders Leben und Werk sehenswerte Dokumentation, die allerdings nie über das Bekannte und oft Wiederholte hinausgeht.
 
Michael Meyns