Fikkefuchs

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Mit zarter Feder hat Jan Henrik Stahlberg noch nie Filme gedreht, sowohl „Muxmäuschenstil“ noch „Bye Bye Berlusconi“ waren Satiren der derberen Sorte und so ist auch sein neuer Film „Fikkefuchs“ nichts für zarte Gemüter. Um den Zustand der Männlichkeit in einer Zeit, in der viel von Feminismus und Gleichstellung der Geschlechter die Rede ist, geht es hier, voller pointierter, provozierender, peinlicher Momente, die das etwas dünne Handlungsgerüst vergessen lassen sollen.

Webseite: www.alamodefilm.de

Deutschland 2017
Regie: Jan Henrik Stahlberg
Buch: Jan Henrik Stahlberg & Wolfram Fleischhauer
Darsteller: Jan Henrik Stahlberg, Franz Rogowski, Thomas Bading, Susanne Bredehöft, Jan Pohl
Länge: 101 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 16. November 2017

FILMKRITIK:

Sie halten sich für Helden, glauben, sie seien unwiderstehlich: Der gut 50jährige Rocky (Jan Henrik Stahlberg), der in Berlin allein in seiner Altbauwohnung lebt und jüngeren Frauen nachsteigt, aber auch älteren nicht abgeneigt ist, Hauptsache Frau. In der Provinz lebt der Mittzwanziger Thorben (Franz Rogowski), der aus einer psychiatrischen Klinik ausbricht, wo er wegen Sexualvergehen saß, und nach Berlin trampt. Dort sucht er seinen Vater auf, den er noch nie gesehen hat: Rocky. Der zweifelt zunächst an seiner Vaterschaft, hält Thorben für einen Aufschneider, einen Sprüchemacher – und erkennt sich selbst in dem Jüngeren.
 
So wie Rocky ist auch Thorben stets auf der Jagd nach Frauen, besser gesagt: Auf Beutefang, denn mehr sind Frauen nicht für ihn. In Berlin wähnt er sich zunächst im Paradies, ist begeistert von der "Auswahl“, muss jedoch bald feststellen, dass seine Anmachsprüche keinen Anklang finden. So wird der scheinbar erfahrene und weltgewandte Rocky zu seinem Lehrer und versorgt ihn mit Ratschlägen, von deren Erfolg er selbst fälschlicherweise überzeugt ist. Gemeinsam macht das Duo Berlin und lernt am Ende eine Lektion; zumindest eine kleine.
 
Sympathisch sind sie nicht, die beiden Helden von Jan Henrik Stahlbergs Satire, eher tragische Figuren, die an sich und den Erwartungen scheitern, von denen sie glauben, dass sie sie erfüllen müssen. Rund um die Uhr auf der Jagd sind sie, wittern ständig die Gelegenheit, eine Frau kennen zu lernen und übersehen dabei geflissentlich, dass ihr Begehren auf wenig  Gegenliebe stößt, um nicht zu sagen Antipathie auslöst.
 
Erschreckend präzise schildert Stahlberg – der sich selbst ohne jede Eitelkeit, mit dünnem Haar und schlecht sitzender Kleidung inszeniert – die übersexualiserte Welt der Gegenwart, das ständige Versprechen auf Sex, das durch die Medien, das Kino und natürlich das Internet geistert. Aber auch die Erwartungen an einen Mann selbst, der glaubt, einem unrealistischen, virilen Ideal entsprechen zu müssen, das durch Werbung und Pornos konstruiert wird.
 
Von Dating-Diensten wie Tinder, über Flirtkurse bis hin zum geradezu altmodisch anmutenden Spruch an der Kneipen-Theke, reißt Stahlberg praktisch alle Facetten und Möglichkeiten des Kennenlernens in der Moderne an, und hat sich dabei mit Franz Rugowski einen idealen Gegenpart an die Seite gestellt. Lange Zeit reicht es aus, dieses ungleiche und doch gleiche Duo zu beobachten, ihre von einer vollkommenen Abwesenheit von Selbstreflexion und Selbsterkenntnis geprägten Versuche zu verfolgen, Frauen kennen zu lernen. In diesen Momenten ist „Fikkefuchs“ eine schmerzhaft präzise Zustandsbeschreibung männlicher Befindlichkeiten, pointiert und von beißendem satirischen Witz.
 
Doch so zynisch, wie es lange wirkt, wollte Stahlberg seinen Film wohl doch nicht enden lassen, vielleicht auch der von ihm gespielten Figur des Rockys ein versöhnliches Ende bescheren. Zu diesem Zweck hat er die Vater-Sohn-Beziehung konstruiert, die lange Zeit kaum von Bedeutung ist, die sogar lange wie eine Fiktion wirkt, der sowohl Thorben als auch Rocky aus Eigeninteresse folgen. Ganz raus aus diesem Konstrukt kommt Stahlberg nicht, was das Ende seines Films etwas bemüht und allzu versöhnlich wirken lässt. Doch darüber lässt sich hinwegsehen, ist „Fikkefuchs“ bis dahin eine konsequent böse Satire.
 
Michael Meyns