Finnischer Tango

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In der Tragikomödie „Finnischer Tango“ von Regisseurin Buket Alakus („Eine andere Liga“) lernt ein vagabundierender Aufschneider die Vorzüge von Herzlichkeit und Menschlichkeit kennen. Gespickt mit vielen überraschenden Ideen, erzählt Alakus in ihrem dritten Kinofilm eine herzerwärmende Geschichte, ohne dabei auf moralinsaure Botschaften zurückzugreifen. Daneben gefällt ihr Film durch seine starken Darsteller um Christoph Bach, Fabian Busch und Mira Bartuschek.

Webseite: www.finnischertango.de

Deutschland 2008
Regie: Buket Alakus
Drehbuch: Jan Berger, Marcus Hertneck
Darsteller: Christoph Bach, Fabian Busch, Mira Bartuschek, Nele Winkler
Verleih: Neue Visionen
Länge: 90 Min.
Kinostart: 28.08.2008

PRESSESTIMMEN:

...auf film-zeit.de


FILMKRITIK:

Der Finnische Tango ist eine Variante des Tango Argentino mit absteigender Melodie, die häufig in Moll gespielt wird. Aki Kaurismäki setzt diese musikalische Spielart regelmäßig ein, um die lakonische Atmosphäre in seinen Filmen zu unterstreichen. In „Finnischer Tango“ von Buket Alakus, dient der Tango wiederum dazu, die Gemütsverfassung der Hauptfigur zu charakterisieren. 

Alexander (Christoph Bach) ist Vollblutmusiker. Sein Akkordeon liebt er mehr als seine beiden Kumpels, mit denen er erfolglos durch Deutschland tourt. Als sich einer der beiden das Leben nimmt und der andere daraufhin die Musik an den Nagel hängt, steht Alexander ganz unvermittelt vor dem Nichts. Ohne Wohnung, Band und Einkommen ist er mitten in Norddeutschland gestrandet. Seine einzige Chance, zurück auf die Beine zu kommen, ist eine Anstellung bei einem kleinen Bremer Theater. Dazu müsste er allerdings eine Behinderung vorweisen. Um an den Job zu kommen, gibt Alexander daher vor, an Epilepsie zu leiden. Die Arbeit erhält er daraufhin zwar nicht, dafür wird er immerhin in eine betreute Behinderten-WG einquartiert.
Nach „Anam“ und „Eine andere Liga“ kehrt Buket Alakus mit einem tragikomischen Streifen ins Kino zurück. Die türkischstämmige Regisseurin beweist dabei erneut, dass abgeschliffene Geschichten nicht ihrem Naturell entsprechen. Auch in „Finnischer Tango“ bekommt es der Zuschauer mit Figuren voller Ecken und Kanten zu tun, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Während sich Alexander als Aufschneider durchs Leben schlängelt, müssen sich seine WG-Genossen nicht nur mit ihren Behinderungen, sondern ebenso mit den Vorurteilen ihrer Mitmenschen arrangieren. Beide Parteien sind gewissermaßen Lebenskünstler – nur unter anderen Voraussetzungen.

Alakus schafft es in ihrem dritten Kinofilm vorzüglich, die Behinderten vollständig in ihre Geschichte zu integrieren, ohne sie in Klischees oder Witzfiguren zu verwandeln. Mit ihrer freundlichen und direkten Art sind sie vielmehr sympathische Lehrmeister, die einem notorischen Betrüger die Vorzüge von Menschlichkeit und Herzlichkeit näherbringen. Immerhin kannte Alexander in seinem Leben bis dato nichts anderes, als seine Mitmenschen zu betrügen, um aus jeder Gelegenheit persönliche Vorteile zu ziehen. Deshalb webt der Musiker auch in der WG sein Lügennetz zunächst unvermittelt weiter. Dabei täuscht er nicht nur Epilepsie vor, sondern verstrickt sich zudem in eine völlig überzogene Lebensgeschichte, die rein gar nichts mit der Realität zu tun hat. Alakus weiß das in ihrem Streifen genüsslich auszukosten.

Ob sich Alexanders Mitbewohner von ihm tatsächlich hinters Licht führen lassen oder sein Spiel von Beginn an durchschauen, bleibt dabei weitgehend im Dunkeln. Doch gerade das ist eine Stärke des Films. Vieles bleibt unausgesprochen in der Schwebe. Dennoch sagen die Bilder manchmal mehr als tausend Worte.

Daneben wissen die Darsteller zu überzeugen. Allen voran Christoph Bach („Katze im Sack“) in der Rolle des Lügenbarons. Mit kleinsten, kaum wahrnehmbaren Zuckungen simuliert er meisterhaft seine Epilepsie. Zudem dürfte sein Vorsprechen vor der Bremer Theatergruppe im Kinosaal einen wahren Jubelsturm auslösen. Auch Co-Star Fabian Busch („23“) gefällt in seiner Nebenrolle als suizidgefährdeter MS-Patient. Er sorgt für die tragischen Momente des Films, allerdings ohne die Dramatik in Trauer zu verwandeln.

„Finnischer Tango“ ist vielmehr eine herzliche Komödie über Menschlichkeit und Vertrauen, die glücklicherweise ohne moralinsaure Botschaften auskommen. Der Film erscheint zwar dennoch latent melancholisch, von absteigenden Moll-Tönen - wie in der Charakteristik der titelgebenden Musik - ist er aber meilenweit entfernt.

Oliver Zimmermann

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Alex ist Musiker, doch ein Band-Kollege hat sich für den Selbstmord entschieden, und seither ist Alex aus einem halbwegs normalen Leben herausgerissen.

Er ist arbeits- und mittellos, lässt sich deshalb von der Arbeitsagentur einer Behinderten-Theatergruppe zuteilen, was ihm gelingt, weil er vorgibt, Epileptiker zu sein. 

Lotte ist die Betreuerin der Truppe, Marilyn, Clark und Rudolph, seit neuestem auch Alex sind die Mitglieder.

Marilyn will sich auf ihren ersten Sex mit Clark vorbereiten, Clark hat Sprachschwierigkeiten und sitzt gelähmt im Rollstuhl, der gehbehinderte Rudolph ist zum alles in Frage stellenden, spöttischen Lebensverächter geworden und will sich umbringen.

Alex ist in dieser Gemeinschaft, in der alle mehr oder weniger zusammenhalten, anfänglich ein Fremdkörper. So sehr, dass er Clark zunächst noch bestiehlt.

Doch langsam, über manche kuriosen Stationen hinweg, fängt er an, ein anderes Leben zu begreifen, sich die Werte der Behinderten zu eigen zu machen, sogar zu ihnen zu gehören. Jetzt verhilft er Marilyn zu ihrem Sex mit Clark, bringt Rudolph von seinen Selbstmordgedanken ab und liebt Lotte. Er ist ein neuer Mensch geworden.

Auf halbwegs originelle Weise zeigt hier die Autorin und Regisseurin Buket Alakus („Eine andere Liga“), wie man sich ändern kann und muss, wenn man lange zu unbewusst, zu gedanken-, zu verantwortungslos gelebt hat. Alex hat diese Chance, und ein wenig hilft ihm die Musik des „Finnischen Tango“. Viele müssen eine solche Chance erst noch abwarten.

Die Regiearbeit ist gelungen, die Darsteller sind gut ausgewählt. Beachtlich schneidet Christoph Bach als Alex ab. Ein nicht ganz gewöhnliches, aber anschauliches Lebensmuster wird hier aufgezeigt.

Thomas Engel