Flow

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Großes Abenteuerkino mit viel Atmosphäre: Eine kleine schwarze Katze spielt die Hauptrolle in diesem außergewöhnlichen Animationsfilm, der vom Kampf ums Überleben in einer postapokalyptischen, menschenlosen Welt erzählt. Die Katze ist nicht allein – alle Tiere sind in derselben Situation und wollen der übermächtigen Flutwelle entkommen, die sie bedroht. Sie haben aber nur dann eine Chance, wenn sie zusammenarbeiten. Es geht hier also nicht nur um die Macht der Natur, sondern auch um Kooperation und Solidarität.
Der lettische Regisseur Gints Zilbalodis hat mit seinem faszinierenden Film ein echtes Kunstwerk geschaffen: eine echte Ikone des Animationsfilms. Es wird kein Wort gesprochen, die Tiere kommunizieren auf ihre individuelle Art miteinander, und dabei entsteht eine einmalige, sehr besondere Stimmung, die von Hoffnung und Optimismus geprägt ist.

Webseite: https://www.mfa-film.de/kino/id/flow/

Lettland, Frankreich, Belgien 2024
Regie: Gints Zilbalodis
Buch: Matiss Kaza, Gints Zilbalodis
Kamera: Gints Zilbalodis
Mitwirkende: Katze, Lemure, Wasserschwein, Kranich und andere
Musik: Rihards Zalupe, Gints Zilbalodis

Länge: 84 Minuten
Verleih: MFA+ Filmdistribution
Start: 6. März 2025

FILMKRITIK:

Die kleine schwarze Katze ist ganz allein und versucht sich in einer Welt zurechtzufinden, die offenbar vor nicht allzu langer Zeit von den Menschen verlassen wurde. Man sieht nur noch die Relikte der menschlichen Gegenwart in Gestalt von verlassenen Häusern und Städten. Die Katze flieht vor einem Rudel Hunde und rettet sich in ein verlassenes Haus, das ihr jedoch nur vorübergehend Sicherheit bietet. Denn die eigentliche Gefahr, die alle Tiere spüren, denen die Katze begegnet, geht nicht von den wilden Hunden aus, sondern vom Wasser, dass sich zu einer großen Flutwelle sammelt. Im letzten Moment gelingt es der Katze, sich auf ein Boot zu retten, auf dem auch andere Tiere Zuflucht suchen: ein Wasserschwein, ein Hund, ein Sekretärvogel und ein Lemur. Doch sie können nur überleben, wenn sie ihr Misstrauen und ihre Feindschaft hinter sich lassen und beginnen, als Gemeinschaft zu agieren. Gar nicht so einfach für die kleine Katze, denn sie ist Individualistin und nicht daran gewöhnt, sich auf andere einzulassen.

Selbstverständlich haben wir es hier mit einer Parabel zu tun. Dass die Geschichte der bedrohten Tiere eigentlich unsere aktuelle Situation widerspiegelt, in der wir uns mit dem Klimawandel und dem Schicksal flüchtender Menschen auseinandersetzen müssen, wird dem Publikum schon nach wenigen Filmminuten klar. Doch Gints Zilbalodis verzichtet glücklicherweise auf jede Form von Holzhammer-Botschaften einschließlich des berühmten erhobenen Zeigefingers. Der junge Filmemacher hat mit seinem Kinofilm nach „Away – Vom Finden des Glücks“, ebenfalls ein Animationsfilm, den er komplett allein konzipiert und gedreht hatte, ein kleines Wunder vollbracht. Nicht nur, weil er den Film sozusagen erdet, in dem er ihn beinahe komplett aus der bodennahen Perspektive der Katze erzählt, so dass der Lernprozess, den die Protagonistin durchmacht, als spannende, abenteuerliche Erfahrung daherkommt. Vielmehr ist es das ungewöhnliche und gleichzeitig harmonische Zusammenspiel von Inhalt, Animation und Musik, was den Film so reizvoll macht – und zwar durchaus nicht nur für ein junges Publikum.

Die Animationen unterscheiden sich stark von dem, was die großen Studios Disney, Pixar, Dream Works u. a. bieten. Doch dahinter steckt auch eine künstlerische Absicht, denn durch die leichte Stilisierung seiner Figuren vermeidet Zibalodis jede Vermenschlichung der Tiere. So paradox es klingen mag: Durch die spürbare Künstlichkeit gewinnen die Leinwandhelden noch mehr an Authentizität. Dazu tragen auch die Laute bei, mit denen Zibalodis sie kommunizieren lässt. Und diese Tiere sind allesamt interessante Charaktere auf der Suche nach Zusammenhalt: der stolze Sekretärvogel, der von seinem Schwarm gemobbt wird, der Lemur, der manisch alles sammelt, was Menschen hergestellt haben, das liebenswürdige Wasserschwein und der Hund, der nicht mehr mit seinem gewalttätigen Rudel leben will.

„Flow“ ist ein Film, der mit der Schönheit seiner Bilder das Publikum ebenso begeistern kann wie mit seiner spannenden Handlung und einer durchaus optimistischen Grundstimmung. Auch das junge Publikum wird sich hier gerne mitnehmen lassen auf einen spannenden und gelegentlich auch sehr komischen Abenteuertrip.

Und dieses Abenteuer hat es in sich, denn hier gibt es jede Menge Szenen, in denen man um das tapfere kleine Kätzchen bangen muss. Sein Schicksal und das der anderen Tiere auf der Kinoleinwand kann niemanden kaltlassen, denn hier sind Lebewesen zu sehen, die vor einer zunächst übergroß erscheinenden Herausforderung nicht resignieren, sondern sie annehmen, und zwar keineswegs aus Heldenmut oder Abenteuerlust, sondern weil sie schlicht keine andere Wahl haben. Und das wäre dann vielleicht so ein kleines bisschen die gut versteckte Botschaft des Films.

 

Gaby Sikorski