Forever Young

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Das überschäumende Lebensgefühl der 80er Jahre in zwei Stunden – mit allen Höhen und Tiefen. Valeria Bruni Tedesci behauptet inzwischen als Darstellerin sowie als Autorin und Regisseurin ihre Rolle im französischen Arthouse-Kino. In „Forever young“, einer leidenschaftlichen Dramödie, erinnert sie sich einmal mehr an ihre eigene Vergangenheit: an die aufregende Zeit auf der Schauspielschule und an ihre ersten Bühnenerfahrungen. Ihr Alter Ego spielt die wunderbare Nadia Tereszkiewicz („Mein fabelhaftes Verbrechen“), begleitet von einem schwungvollen, jungen Cast. Eine vergnügliche, ab und an melancholische, aber immer unterhaltsame Zeitreise in die Welt des Theaters vor vierzig Jahren.

Webseite: https://www.neuevisionen.de/
Originaltitel: Les Amandiers
Frankreich 2022
Regie: Valeria Bruni Tedeschi
Drehbuch: Valeria Bruni Tedeschi, Noémie Lvovsky
Darsteller: Nadia Tereszkiewicz, Sofiane Bennacer, Louis Garrel, Micha Lescot, Clara Bretheau, Noham Edje, Vassili Schneider
Kamera: Julien Poupard
Länge: 126 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 17. August 2023

FILMKRITIK:

Stellas größte Angst ist es, dass die Jugend ihr einfach durch die Finger rinnen könnte. Und sie hat ein Ziel: Sie will unbedingt Schauspielerin werden. Doch um an der berühmten Schauspielschule „Les Amandiers“ in der Nähe von Paris aufgenommen zu werden, muss sie erstmal ein aufwendiges und schwieriges Casting absolvieren, das mehrere Tage dauert. Dabei freundet sie sich gleich mit der frechen Adèle an – und tatsächlich: Beide gehören zu den glücklichen Auserwählten, die aus unzähligen Bewerbungen an der Schauspielschule aufgenommen werden. Und es geht gleich aufregend los, nämlich mit einem gemeinsamen Workshop im weltberühmten Actor’s Studio in New York. Die jungen Leute erobern zusammen den Big Apple, sie werden zur verschworenen Gemeinschaft, einige Paare finden zusammen, und Stella verliebt sich in den talentierten, leider aber auch sehr komplizierten Etienne. Zurück in Paris geht‘s ans Proben: Patrice Chereau, der berühmte Leiter der Schule, inszeniert persönlich ein Stück für seine Eleven. Ein erster großer Prüfstein für die leidenschaftlichen künftigen Theaterstars, besonders aber für Stella. Einerseits steht sie möglicherweise am Beginn einer großen Karriere, andererseits hat sie mit Etienne einen extrem schwierigen Partner an ihrer Seite, der sie eher bremst als bestärkt. Stella muss eine wichtige Entscheidung treffen.

Alle in dieser jungen Schauspieltruppe sind hungrig aufs Leben, auf die Liebe und aufs Theater. In ihrem neuen Film erinnert sich Valeria Bruni Tedeschi humorvoll, durchaus selbstkritisch und ein klein wenig nostalgisch an ihre eigene Zeit an der Schauspielschule und an die überbordende Lebenslust, als alle qualmten wie die Schlote und miteinander quer schliefen, als Drogen groß in Mode waren und niemand an die Folgen dachte.

Nadia Tereszkiewicz, schon jetzt ein aufkommender Star des französischen Kinos, spielt Valeria Bruno Tedeschis junges Alter Ego mit umwerfender Natürlichkeit und viel Sinn für kleine Gesten. Ihre Stella ist ein zu Beginn ein argloses, naives, verwöhntes Kind, das in und mit der Schauspielschule erwachsen wird, und zwar nicht unbedingt freiwillig. Während ihre anfangs so lustig extravagante und erfreulich durchgeknallte Freundin Adèle (sehr drollig und witzig: Clara Bretheau) sich bald als die vernünftigere erweist, hängt Stella noch länger ihren romantischen Träumen nach. Zum Beispiel glaubt sie immer noch, dass sie Etienne helfen kann, der sich ganz offensichtlich zum Psychopathen entwickelt und immer mehr in eine obsessive Drogen- und Scheinwelt abdriftet. Sofiane Bennacer spielt diese tragische Figur mit düsterem Charme als französische Version eines jungen Marlon Brando.

Valeria Bruno Tedeschi hält jedoch perfekt die Balance zwischen Komödie und Drama, und sie würzt ihre mitreißende Story mit vielen kleinen Nebengeschichten und zusätzlich mit einigen hübschen Anspielungen für Schauspiel-Insider. Ein sehr unterhaltsamer Film – eine wunderbare Liebeserklärung an die Jugend und ans Theater.

Gaby Sikorski