Fräulein Julie

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Werkgetreu übersetzt die norwegische Schauspiellegende und Bergman-Muse Liv Ullman Strindbergs psychologisches Drama „Miss Julie“ in kunstvolle Filmsprache. Mit ausgeklügelter Lichtregie und Bildkompositionen macht die 75jährige das Potential des Theaterklassikers sichtbar. Dabei arbeitet sie deutlich heraus, wie viel Zeitloses in dem Stoff steckt. Souverän inszeniert der Weltstar ein Zerfleischungsstück, das durch ungeheuren psychologischen Realismus den ewigen Geschlechterkampf mit brennender Schärfe auf die Leinwand bannt. Vor allem die beiden Hauptdarsteller Golden-Globe-Gewinnerin Jessica Chaistain und Colin Farrell  überzeugen bei dieser verhängnisvollen, emotionalen Tour de Force zwischen Begehren und Unterwerfung.

Webseite: www.alamodefilm.de

OT: Miss Julie
Norwegen, United Kingdom, Irland, Frankreich 2014
Regie: Liv Ullman
Darsteller: Jessica Chastain, Colin Farrell, Samantha Morton, Nora McMenamy
Drehbuch: Drehbuch Liv Ullmann
Kamera: Mikhail Krichman
Länge: 129 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 22. Januar 2015
 

Pressestimmen:

"August Strindbergs Drama (...) klassisch streng ins Bild gesetzt. Jessica Chastain verzaubert in der Titelrolle mit einer Mischung aus Hochmut und Fragilität."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Irland, 1890. Auf Schloss Fermanagh wird gefeiert. Der Baron ist verreist. Seine Tochter Julie nützt die Gelegenheit und vertreibt sich die Zeit in dieser lauen Mittsommernacht auf ihre Weise. Übermütig verführt die einsame Adelstochter den Butler ihres Vaters zum Tanz. Keck überschreitet sie damit Klassenschranken. Obwohl John eigentlich mit der Köchin Kathleen (Samantha Morton)  verlobt ist, lässt er sich auf ihr Spiel mit dem Feuer ein. Seine anfängliche Zurückhaltung weicht bald. Sie umkreisen einander. 
 
Ein raffiniertes Wechselspiel aus Zärtlichkeit und Zurückweisung nimmt seinen Lauf. Doch der Liebesrausch währt nur kurze Zeit. Bald schon sind die Rollen vertauscht. Denn als Julie sich ihm sexuell hingibt, verliert sie für den Emporkömmling ihren faszinierenden Glanz. Aus dem Liebhaber wird der Überlegene, der die Tochter seines Herrn zur Gedemütigten macht. Liebe schlägt in Hass um. Der Mittsommernachtstraum zerschellt. Was scheinbar als abenteuerliche Romanze begann, endet für Julie tragisch.
 
Mit virtuoser Sensibilität und präziser Gestik stürzen sich die beiden Hauptdarsteller bis zur schieren Selbstaufgabe in das Auf und Ab des Geschlechterkriegs. Schnörkellos bleibt  ihr kompliziertes Verhältnis in einer spannungsreichen Ambivalenz. Letzlich durchleiden beide ihre Beziehung mit einer Intensität, die Körperfasern und Nervenstränge aufs Höchste elektrisiert. Souverän lotst sie Regisseurin Liv Ullmann dabei über die intimen Schlachtfelder der Gefühle. Geprägt vom Kunstkino Ingmar Bergmans, Fellinis oder Kurosawas mit seiner tiefschürfenden Symbolik bevorzugt der  Weltstar bei seinen kammerspielhaften Tableaus lange Einstellungen und Close ups ohne hektische Schnitte.
 
Eine Langsamkeit, die für heutige Verhältnisse ungewohnt ist. Ihr dramaturgisch geschultes Gespür behält dabei trotzdem die Oberhand. Kompromisslos konzentriert die Grand Dame die Aufmerksamkeit der Kamera auf die Dynamik und Entwicklung ihrer Charaktere und lässt ihnen dabei gleichzeitig genügend Raum für eine naturalistische Darstellung. Ohne Ingmar Bergman freilich wäre Liv Ullmann kaum denkbar, und umgekehrt. Zehn Filme drehte sie unter seiner Regie, darunter so bekannte wie „Szenen einer Ehe“ und „Das Schlangenei“. „Für mich müssen Theaterstücke und Filme an die elementaren Dinge des Lebens rühren, sonst sind sie der Mühe nicht wert“, sagt die Ikone des nordischen Films nicht umsonst.
 
Golden Globe Gewinnerin Jessica Chastain zieht in dieser emotionalen Tour de Force als femme fragile die Blicke magnetisch auf sich. Schon der Auftritt der grazilen rothaarigen Kalifornierin als ätherisch-madonnenhafte Mutter in Terrence Malicks bildgewaltigem Werk „The Tree of Life“, sorgte für Aufsehen. Glaubwürdig ruft die 37jährige eine unvorstellbare Bandbreite von Gefühlen ab. Sie keift und schreit, schmeichelt und verführt, wird von der herrschsüchtigen Domina zum naiven Kind, zur Halbverrückten, deren getriebener Blick irritiert. Ihr Trip in die Abgründe ist fulminant. Großartig jongliert sie mit verschiedenen Tonlagen, hin und hergerissen zwischen Leidenschaft, Begehren und Abhängigkeit.
 
Der irische Schauspieler Colin Farrell, für den es als Aufsteiger Jean und werdender Herr, kein Begehren ohne Berechnung gibt, beeindruckt mit robuster Vitalität und krudem Charme. Der 38jährige, mit dem Gesicht eines Rebellen, meistert seine Rolle bravourös. Schonungslos repräsentiert er in diesem Drama um Liebe, Machtpositionen und Klassenunterschiede, den maskulinen Widerpart samt seinen hilflosen Herrschaftsgelüsten. Aber auch Samantha Morton ist in ihrer Nebenrolle stets präsent. Authentisch verkörpert sie den Glauben an die alte Ordnung in diesem Alptraum der Einsamkeit und Verlorenheit.
 
Luitgard Koch