Frankenweenie

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Es muss nicht immer Depp sein. Auch ohne den schönen Johnny, mit dem er über ein halbes Dutzend Filme gedreht hat, beweist Tim Burton mit grandioser Leichtigkeit, dass er zu den größten Kino-Magiern von Hollywood gehört. Eine Handvoll Puppen mit spindeldürren Beinchen genügen dem kreativen Tausendsassa, um daraus ein wunderbares Universum zu zaubern, in dem er eine ziemlich kleine und gleichwohl ganz große Geschichte erzählt. Der clevere Held Victor erweckt seinen überfahrenen Hund Sharky mit rigorosen Mitteln wieder zum Leben – nicht umsonst hört der Knirps auf den Namen Frankenstein. Wie die ignorante Umgebung auf den kleinen Visionär reagiert, gerät zum höchst unterhaltsamen Lehrstück über Außenseiter, Nonkonformismus und das Festhalten an Träumen. Nicht nur ein Meilenstein des Animationsfilms, sondern zugleich unwiderstehlich charmantes Kino zum Reinverlieben.

Webseite: www.disney.de/frankenweenie

USA 2012
Regie: Tim Burton
Filmlänge: 87 Minuten
Verleih: Disney
Kinostart: 24. Januar 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es war einmal ein ambitionierter Animationskünstler, der sich mit einer 29minütigen Stop-Motion-Hommage an „Frankenstein“ seinen kreativen Traum erfüllte. Doch dem Auftraggeber Disney war die Sache nicht familientauglich genug, die Micky Maus-Manager legten den kleinen Kunst-Coup auf Eis und feuerten den 26jährigen Tim Burton. Andere immerhin erkannten das große Talent und Burton durfte „Pee-Wee’s irre Abenteuer“ inszenieren. Gut ein Vierteljahrhundert später, mit ein paar Oscars und „Batman“-Blockbustern auf dem Buckel, präsentiert das 54jährige Ausnahmetalent nun die Kinoversion seines einstigen Herzensprojektes, diesmal in 3D aber wiederum in Schwarzweiß.

Der kleine Victor ist leidenschaftlicher Filmemacher, ein ebenso einfallsreicher Tüftler und wissbegieriger Schüler. Dass er keine Freunde hat, betrübt die fürsorglichen Eltern allerdings. Mit geschickter Überredungskunst kann Papa Frankenstein seinen Sohn zu einem Baseballspiel motivieren. Victor schlägt sich überraschend gut. Dann passiert das große Unglück. Sein geliebter Hund Sharky rennt freudig dem Ball hinterher und wird von einem Auto überfahren. Die Trauer weicht schnell Forschergeist als der schrullige Lehrer Rzykruski seinen Schülern zeigt, wie ein toter Frosch durch Elektroschocks wieder die Beine bewegt. Zum Äußersten entschlossen, gräbt der kleine Frankenstein seinen Vierbeiner im Friedhof wieder aus, flickt ihn zusammen und konstruiert mit Spielzeugdrachen sowie Mutters Haushaltsgeräten auf dem Dachboden eine raffinierte Versuchsanordnung, die bei einem Gewitter die Blitze anzieht und so ungeheure Elektrizität durch den lädierten Sharky leitet. Der Versuch gelingt. Bald wedelt Sharky wieder vergnügt mit dem Schwanz – dass dieser noch etwas lose ist und dabei abfällt, lässt sich schnell reparieren.

Da ihm die Sache nicht ganz geheuer ist, will Victor seinen Geniestreich geheim halten. Doch Sharky büchst aus, was dem buckligen Schulkind Edgar nicht entgeht. Der erpresst Victor mit seinem Wissen, so kommt es widerwillig zu einem zweiten Versuch: Ein toter Goldfisch soll durch Blitze reanimiert werden. Das Experiment gelingt, wenngleich der Fisch seine Sichtbarkeit einbüßt. Edgar ist dennoch begeistert, schließlich steht der Wissenschaftswettbewerb der Schule an. Dort wollen freilich auch der skrupellose Streber Toshiaki und sein willenloser dicker Kumpel Bob gewinnen. Ganz zu schweigen vom überaus ehrgeizigen Nassor, der ein wenig an Boris Karloff erinnert.

Weil Edgar sich verplappert, bekommen die bösen Buben Wind von Victors famoser Erfindung und wollen ebenfalls tote Tiere zum Leben erwecken. Die Zauberlehrlinge werden vom Erfolg freilich überrollt. Ein Kätzchen mutiert zum fliegenden Vampir, die Schildkröte zu Godzilla und sogar Verwandte der Gremlins tauchen auf und machen die Stadt unsicher. Während die Erwachsenen in Panik geraten, hat der findige Victor in letzter Minute eine wissenschaftlich perfekte Lösung für alle Probleme parat.

Es versteht sich von selbst, dass die Kinder im Tim Burton-Universum keine dem Werbefernsehen entsprungenen Wonneproppen mit penetrantem Dauergrinsen sind, sondern eher nachdenkliche kleine Gesellen, die allesamt ihr Außenseiter-Päckchen zu tragen haben. Kaum Zufall also, dass diese Mini-Melancholiker stets Ringe unter den Augen haben. Wie üblich gelingt es Burton mit traumhafter Leichtigkeit aus solch schrägen Verlierer-Typen die Sofortgewinner der Zuschauerherzen zu machen. Knirpse wie diese muss man einfach mögen, weil Burton aus ihnen mit spürbar viel Liebe spannende Archetypen macht, die er mit einem psychologisch plausiblen Kostüm ausstattet und ihnen wunderbare, bisweilen wunderliche Charakterzüge verleiht. So wird selbst aus dem fiesen Streber eine ebenso putzige Figur, wie aus dem buckligen Tölpel Edgar mit seinen spindeldünnen Ärmchen. Nur einfältige Erwachsene, die Symbole der Herrschaft, werden gnadenlos zu Karikaturen degradiert. „Zu viel Wissen kann auch schaden“ predigt die neue Lehrerin, derweil der lokale Tyrann Herr Bürgemeister (so heißt er auch im Original!) bei seinen Hetzaktionen in perfekter Blödheit höchstpersönlich die Mühle abfackelt.

Die ganz große Liebe bis ins kleinste Detail sorgt für eine grandiose Stimmigkeit in diesem Stop-Motion-Abenteuer, die technische Perfektion bereitet das visuelle Vergnügen derweil die Verspieltheit des Regisseurs die zusätzlichen Bonuspunkte einer humorvollen Hommage an das Horrorgenre bietet. Wenn das Monster-Hündchen etwa seine geliebte Pudeldame Persephone küsst, bekommt diese einen Stromstoß und dadurch die Kult-Frisur von „Frankensteins Braut“ – was die Pudelbesitzerin namens van Helsing indes nicht weiter stört.

Für das musikalische Feuerwerk sorgt einmal mehr Burtons Hauskomponist Danny Elfman (der Schöpfer der „Simpsons“-Titelmelodie), der einen symphonisch pompösen Soundtrack vom Feinsten einspielt.

Es gibt nicht sehr viele Filme, die man nach dem Abspann am liebsten gleich nochmals sehen möchte. Dieser charmant famose Fantasy-Zauber von Kino-Magier Burton zählt zu diesen Raritäten. Ein oscarträchtiges, makelloses Meisterwerk. – auch ganz ohne Johnny Depp.

Dieter Oßwald

Tim Burton gehört nicht zur großen Masse der Filmemacher. Auch dieses Mal hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen. Jahrelang hat er mit seinen Teams daran gearbeitet.

Es ist ein im Stop-Motion-Verfahren aufgenommener Animations-Film vor allem über Victor und seinen Hund Sparky. Der Junge liebt das Tier und ist untröstlich, als es zu Tode kommt. Victor weiß aber noch aus dem Biologieunterricht, dass Muskeln durch elektrische Energie wiederbewegt werden können. In seiner Verzweiflung über den Tod des Hundes gräbt er diesen auf dem Friedhof wieder aus – und siehe da: Es gelingt ihm, Sparky wieder zum Leben zu erwecken. Fortan ist der Hund jedoch elektrisch geladen.

Die Nachricht verbreitet sich in dem Städtchen New Holland schnell. Offenbar stellen jetzt andere eben solche Experimente an, aber daraus entstehen schreckliche Monster, die den Ort heimsuchen. Kein anderer als Sparky ist es, der diese – auch das größte Ungetüm – zur Strecke bringen kann.

Vom Inhalt kann man halten, was man will. Was sich aber sonst auf der 3-D-Leinwand abspielt, ist zum Teil sensationell. Mit Liebe, Sorgfalt, Präzision, jahrelanger Arbeit, Hunderten von Modellen, Zeichnungen, Puppen und Gliedern sowie Tausenden von Aufnahmen wurde dieses Märchen auf Film gebannt, und zumindest unter diesen Gesichtspunkten ist es sehenswert.

Tim Burton hat sein Produkt in schwarzweiß drehen lassen. Die Ansichten der Stadtviertel oder der Friedhof, Victors Eltern sowie der Biologielehrer und der Bürgermeister, die anderen Bewohner, Sparky, die übrigen Tiere wie der Pudel, die vielen Monster, das Schildkrötenmonster, der Mumienhamster oder die Vampirkatze - alles ist auf das Feinste herausgearbeitet, bewegt und mit bekannten Stimmen synchronisiert. Das passende Produktionsdesign und die Musik nicht zu vergessen.

Selbst Filmemacher könnten davon einiges lernen.

Etwas Außergewöhnliches für Kleine und Große.

Thomas Engel