Frau aus Freiheit

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Auch wenn die Zeit der rechtspopulistischen PiS-Regierung erst einmal vorbei ist, bleibt Polen ein konservatives, von katholischen Traditionen geprägtes Land. Umso bemerkenswerter und wichtiger erscheint da ein Film wie „Frau aus Freiheit“ in dem das Regieduo Małgorzata Szumowska und Michał Englert auf dramaturgisch zwar etwas holprige, aber berührende Weise Leben und Leiden einer Transfrau erzählt.

Kobieta z...
Polen 2023
Regie & Buch: Małgorzata Szumowska & Michał Englert
Darsteller: Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, Joanna Kulig, Bogumila Bajor, Mateusz Wieclawek, Jacek Braciak

Länge: 131 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 7. November 2024

FILMKRITIK:

Als Andrzej wurde sie geboren, später wird sie sich Aniela nennen, doch bis dahin ist es ein weiter Weg. In den 80er Jahren beginnt die Geschichte einer Selbstfindung, als Polen noch ein kommunistisches Land ist – und nicht zuletzt erzkonservativ. Der junge Andrzej muss bei einer Hochzeit zwar einen Anzug tragen, spielt aber gern mit dem Brautschleicher. Nicht der einzige Hinweis auf seine, ihre, wahre Identität, die jedoch lange hinter einem heteronormativen Leben versteckt bleibt.

So heiratet Andrzej (erst Mateusz Wieclawek, später Małgorzata Hajewska-Krzysztofik) Iza (zunächst gespielt von Bogumila Bajor später von Joanna Kulig), zwei Kinder werden geboren, ein banaler Schreibtischjob vervollständigt das bürgerliche Leben. Doch spätestens als es beim Sex mit Iza nicht mehr recht klappen will, beginnt sich Andrzej Gedanken zu machen. Der Arzt empfiehlt Besuche bei Prostituierten, doch damit ist natürlich nicht geholfen.

Erst als Aniela findet sie wirklich zu sich, doch der Weg zur wahren Identität ist mehr als beschwerlich, zumal die polnische Bürokratie die Existenz von Transmenschen nicht anerkennt. Während Iza im Verlauf des langen Wegs zu sich selbst Teil von Anielas Leben bleibt, wenden sich ihre Eltern zunächst von ihr ab, doch nach und nach ändern sich mit dem Wandel Polens von einem kommunistischen zu einem kapitalistischen Land auch die gesellschaftlichen Verhältnisse.

Von einer doppelten Transformation erzählt das polnische Regieduo Małgorzata Szumowska und Michał Englert in ihren Film, der im Original nur „Kobieta z…“, Frau aus….heißt. Ein deutlicher Verweis zu Człowiek z…, Mann aus….und damit den berühmten Filmen „Mann aus Marmor“ und „Mann aus Eisen“, in denen Andrzej Wajda um 1980 von polnischen Mythen und Männern erzählte. Zeitlich ziemlich genau nach diesen Filmen setzt nun die Geschichte von Andrzej/Aniela ein, die in losen Episoden gezeigt wird. Immer wieder springt die Erzählung zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, auf nicht immer nachvollziehbarer Weise. Mag sein, dass so der komplizierte, von Aufs und Abs geprägte Lebensweg Anielas angedeutet werden soll, der von Widerständen und Selbstzweifeln geprägt ist und keineswegs linear zum Glück führt.

Auch wenn diese etwas holprig anmutende Dramaturgie das Geschehen oft etwas spröde wirken lässt, passt es doch zu einem ambitionierten und auch ambivalenten Blick auf die polnische Geschichte mit all ihrem Wandel, und vor allem zum Lebensweg Anielas. Małgorzata Hajewska-Krzysztofik spielt sie mit großer Sensibilität, deutet die Zweifel an, die Verletzungen, die Aniela im Laufe ihres Wegens erleidet, aber auch die kleinen Momente des Wandels. Am Ende hat sie ihren Weg gemacht und damit auch den Weg für ihr Nachfolgende wenn nicht geebnet, dann doch zumindest einfacher gemacht.

 

Michael Meyns