Tochter, Mutter und Großmutter – drei Generationen von Frauen in einer warmherzigen Tragikomödie, die den Wandel der Jahreszeiten ebenso einfängt wie die Konflikte zwischen drei eng verwandten, aber komplett unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die große Catherine Deneuve gibt dem Film noch einen zusätzlichen Kick, denn sie spielt hier souverän die ehemals wilde Großmutter, die nach vielen Jahren der Abwesenheit plötzlich auftaucht und nicht nur französische Lebensfreude, sondern auch eine ordentliche Portion Old School-Feminismus mitbringt, womit sie bei ihrer Tochter und bei ihrer Enkelin ordentlich für Furore sorgt.
Die Story um eine Frau, die eine Öko-Hühnerfarm in den USA betreibt, wirkt insgesamt ziemlich französisch, nicht nur, weil Catherine Deneuve mitspielt, sondern vor allem durch die gut konstruierte Handlung, die sehr humorvoll mit einer komplexen Familiengeschichte verbunden wird.
Webseite: https://www.filmweltverleih.de/cinema/movie/funny-birds
Frankreich, USA 2024
Drehbuch und Regie: Marco La Via, Hanna Ladoul
Mitwirkende: Catherine Deneuve, Andrea Riseborough, Morgan Saylor, Naima Hebrail Kidjo
Kamera: Virginie Surdej
Musik: Juan Cortés
Länge: 97 Minuten
Verleih: Filmwelt
Start: 27.03.2025
FILMKRITIK:
Laura liebt die Natur und Tiere, aber vor allem ihre Hühner. Sie betreibt eine kleine Hühnerfarm inmitten der Wildnis von Virginia. Im Garten wächst Obst und Gemüse, alles öko, alles bio. Sämtliche Hühner hat sie vor dem sicheren Tod gerettet, der ihnen drohte, weil sie nicht genug Eier legen konnten. Eigentlich eine Idylle, wäre da nicht Lauras schwere Krankheit – eine Chemotherapie hält sie zurzeit davon ab, sich um alles zu kümmern. Deshalb kommt Charly, Lauras Tochter, vorbei und hilft ihr. Es ist Sommer und es gibt viel zu tun. Aber Charly und ihre Mutter verstehen sich nicht, und obwohl beide guten Willens sind, schwingen im Verhältnis der beiden die unausgesprochenen Probleme und Konflikte zwischen ihnen mit. Es geht schon damit los, dass Charly Wirtschaftswissenschaften studiert. Statt stolz auf ihre Tochter zu sein, die an einer der besten Unis des Landes aufgenommen wurde, lästert Laura über den „neoliberalen Unsinn“, mit dem sich Charly befasst und meint: „Soll ich etwa stolz darauf sein, dass du später andere Leute abzockst, so wie dein Vater?“ Tatsächlich hat Laura sogar eins der Hühner nach ihrer Tochter benannt – ein schwerer Faux pas in Charlys Augen, die sich nicht damit abfinden kann, dass die Hühner sogar ins Haus dürfen. Charly macht sich immerhin nützlich, sie lernt Traktorfahren und entlastet Laura, die immer klappriger wird. Und langsam kommen sich Mutter und Tochter näher. Doch als der Sommer vorbei ist, kommt überraschender Besuch: Solange, Lauras Mutter, ist den weiten Weg vom Bahnhof bis zur Farm getrampt, ganz wie damals in den 70ern ... und Charly wusste nicht einmal von ihrer Großmutter. Neue Konflikte stehen an, aber auch neue Herausforderungen, die sich nur gemeinsam bewältigen lassen.
Das alles wird stimmungsvoll und in freundlichen Bildern erzählt, gerät aber niemals zur Generationenromanze oder zum kuschligen Frauenidyll und schon gar nicht zum Krankheitsdrama. Gerade als es so aussieht, als ob alles im grünen Bereich ist, wird die kleine Farm mitsamt der drei wackeren Landfrauen von einer Krise erschüttert: Wegen der grassierenden Vogelgrippe sollen alle Hühner getötet werden. Glücklicherweise hat Solange immer noch originelle Ideen, und Charly erweist sich wider Erwarten als gute Verbündete, wenn es darum geht, der Obrigkeit ein Schnippchen zu schlagen. Die daraus erwachsende Spannung bekommt dem Film gut und macht ihn noch einen Tick sehenswerter, auch dank Andrea Riseborough und Morgan Saylor, die an Catherine Deneuves Seite die beiden weiteren Hauptrollen spielen.
Im Wandel der Jahreszeiten enthüllt sich langsam anhand der Story von Laura und ihrer Hühnerfarm eine viel tiefergehende Familiengeschichte, in der es um verpasste und absichtlich nicht genutzte Chancen ebenso geht wie um die Veränderungen, die in den letzten 60 bis 70 Jahren das Leben von Frauen beeinflusst haben. Solanges bewusster Feminismus, zu dem neben ihrer ausgeprägten Lebensfreude auch gehört, dass sie ihre kleine Tochter verlassen hat, ist ebenso Gegenstand der Auseinandersetzung wie Lauras pragmatischer Ansatz, am besten allein zu leben und ihr Ding durchzuziehen, und Charlys eher konventionelles Rollenverhalten, das sie aber mit einem ganz selbstverständlichen Gleichheitsverständnis verbindet. Die drei Frauen widersprechen sich eigentlich nicht, sie ergänzen sich. Und die Autoren, gleichzeitig auch Regisseure, Marco La Via und Hanna Ladoul, bewerten das Verhalten der Drei nicht, sondern sie erzählen mit leichter Hand eine ernsthafte Geschichte über unterschiedliche Schicksale und Sichtweisen. Es geht also mehr um Toleranz als ums Rechthaben, und Solange als Vertreterin der Babyboomer-Generation muss sich zwar erstmal mit den beiden anderen Frauen bekannt machen, wird dann aber von der Mutter und Großmutter zur Partnerin und Freundin. Die drei sind sich nicht nur äußerlich ähnlich – durch ihre roten Haare und ihre helle Haut wirken sie alle etwas elfenhaft, wobei die sonst so elegante Catherine Deneuve hier eine etwas handfestere Elfe spielt – sondern die drei Frauen sind tatsächlich verwandte Seelen mit mehr Gemeinsamkeiten, als ihnen vielleicht bewusst und lieb ist.
Gaby Sikorski