Die Zivilbevölkerung im Gazastreifen leidet unter illegalen Räumungen, Gewalt und brutalen Unterdrückungsmethoden. Ein Alltag zwischen Angst und Hoffnungslosigkeit. Inmitten dieser Trostlosigkeit erzählt die kleine, feine Tragikomödie „Gaza mon amour“ von einem 60-jährigen palästinensischen Fischer, der unglücklich verliebt ist – und auf eine ominöse Statue stößt, die sein Leben gehörig auf den Kopf stellt. „Gaza mon amour“ begegnet seinen ernsten Themen mit Leichtigkeit und Witz. Ein liebenswerter, charmanter Film, der zum Träumen einlädt und an die Macht der (späten) Liebe glaubt.
Website: www.alamodefilm.de/kino/detail/gaza-mon-amour.html
Palästina, Frankreich, Deutschland, Portugal 2020
Regie: Arab Nasser & Tarzan Nasser
Drehbuch: Arab Nasser & Tarzan Nasser
Darsteller: Salim Dau, Hiam Abbass, Maisa Abd Elhadi,
Ibrahim Altoubat
Länge: 88 Minuten
Kinostart: 22. Juli 2021
Verleih: Alamode
FILMKRITIK:
Gaza, heute: Issa (Salim Dau), um die 60, lebt als Fischer im Hafen von Gaza. Heimlich schwärmt er für die Marktverkäuferin Siham (Hiam Abbass), die mit ihrer Tochter Leila (Maisa Abd Elhadi) auf dem Markt arbeitet. Eines Tages findet Issa in seinem Fischernetz etwas Merkwürdiges: die Statue des Gottes Apollo, allerdings mit einem erigierten Penis. Dies ist der Anfang einer ganzen Reihe an skurrilen Ereignissen, die folglich Issas und das Leben seiner Mitmenschen kräftig durcheinanderwirbeln. So sehr, dass Issa sogar den Mut aufbringt, Siham anzusprechen.
So bizarr es klingt, aber der neue Film der Nasser-Brüder, der auf dem letztjährigen Filmfest Venedig debütierte, könnte zu keinem besseren Zeitpunkt in den Kinos starten. Durch die jüngsten Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern, die im Mai begannen, geriet eine umkämpfte, von Desillusion geprägte Region erneut ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit: der Gaza-Streifen.
Fast zwei Millionen Menschen leben hier eingesperrt, zwischen geschlossenen Grenzen zu Israel im Osten und im Süden zu Ägypten. An der Westküste begrenzt das Meer das Küstengebiet. Einer der Bewohner ist der etwas mürrisch auftretende, aber herzensgute Issa, den Salim Dau mit charmanter Schüchternheit und virtuosem Mimik-Spiel verkörpert. Ihm zur Seite steht die zurückhaltend und würdevoll agierende Hiam Abbass.
Trotz des beschwerlichen, entbehrungsreichen Lebens in Gaza ist „Gaza mon Amour“ kein trister, schwermütiger Film. Ganz im Gegenteil: Arab Nasser und Tarzan Nasser arbeiten geschickt mit feinfühligem, bisweilen äußerst pointiertem Humor, der sich nicht selten in Momenten der Unsicherheit und aufkeimenden Angst Bahn bricht. So kommt es zwischen Bombeneinschlägen, Stromausfällen und den fragwürdigen Ermittlungen der örtlichen Behörden, die finanziell von Issas Statuen-Fund profitieren wollen, immer wieder zu heiteren Szenen und schrägen Situationen.
Liebenswert und amüsant gestalten sich zudem die Annäherungsversuche Issas, der jeden noch so hanebüchenen Vorwand und vorgeschobenen Grund nutzt, um seiner Angebeteten näher zu kommen und sie anzusprechen. Zum Beispiel um ein Kleidungsstück flicken zu lassen oder einen ausgeliehenen Regenschirm zurückzubringen.
Die Nebenfiguren, etwa Familienmitglieder der beiden Protagonisten, sind den Nasser-Brüdern weniger wichtig, dafür konzentrieren sie sich ganz auf ihre zwei parallel ablaufenden Plots, die sich gut und stimmig ergänzen: die Geschichte um Issa und seine große Liebe Siham einerseits, und andererseits das Geheimnis um die mysteriöse Statue Apollo (in der griechischen Mythologie der Gott des Frühlings und des Lichts). Im Zusammenhang mit letzterem entlarvt „Gaza mon amour“ die lokalen Institutionen als raffgierig sowie auf den eigenen Vorteil bedacht.
Und inmitten des grauen Alltags bekommt letztlich vor allem auch jene (Terror-) Organisation ihr Fett weg, die den Gazastreifen seit fast 15 Jahren kontrolliert und für die Konflikte, Armut und die Unterdrückung der Bevölkerung verantwortlich ist: die radikal-islamische Hamas. „Gaza mon amour“ nimmt auf launige, augenzwinkernde Weise deren Vertreter auf die Arme, ohne sie der vollständigen Lächerlichkeit preiszugeben.
Björn Schneider