Genderation

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Viel hat sich getan, seit Monika Treut vor über zwei Jahrzehnten ihren Film „Gendernauts“ drehte. Anliegen, Ziele, aber auch Sorgen und Nöte von Transmenschen waren damals noch Nischenthema und sind inzwischen fast im Mainstream angekommen. Welche Schwierigkeiten jedoch immer noch bei der gesellschaftlichen Akzeptanz bestehen, auch das ist ein Thema von „Genderation.“

Website: www.salzgeber.de/genderation

Dokumentation
Deutschland 2021
Regie: Monika Treut
Länge: 88 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 21. Oktober 2021

FILMKRITIK:

Ihr 1999 entstandener Dokumentarfilm „Gendernauts – Eine Reise durch die Geschlechter“ gilt als Klassiker des queeren Kinos, war jedoch alles andere als der erste Film, in dem sich Monika Treut mit Fragen der Sexualität und des Geschlechts beschäftigt hatte. „Unknown Gender – Das dritte Geschlecht“ hieß einer der ersten Filme der 1954 geborenen Regisseurin, ein Titel, der sich auf Simone de Beauvoirs bahnbrechende Studie „Das zweite Geschlecht“ bezog und das Thema andeutete, mit dem sich Treut immer wieder beschäftigen sollte.

Ende der 90er Jahre entstand so „Gendernauts“, vor allem in San Francisco gedreht, der besonders liberalen amerikanischen Westküstenmetropole, ein Ort, an dem Menschen, die sich jenseits der klassischen binären Geschlechtertrennung definierten, mehr oder weniger frei leben konnten. Sie setzten sich für Transrechte ein, schufen sich einen Kosmos, in dem sie sich ausprobieren konnten, einen Platz zwischen Mann und Frau suchen und finden konnten.

Gut 20 Jahre später kehrt Treut nach vielen privaten und beruflichen Besuchen in San Francisco nun auch filmisch zurück. Protagonisten von einst wie Sandy Stone, Susan Stryker, Stafford und Max Wolf Valerio treten auch in „Genderation“ auf, älter geworden, auch weiser, doch immer noch voller Elan und Engagement.

Vieles hat sich seitdem geändert, manches zum Besseren, anderes zum Schlechteren. In San Francisco lebt kaum einer der Transmenschen mehr, denn was einst ein alternativer Ort war, der durch seine liberale Aura, vor allem aber auch seine freien Räume, seine bezahlbaren Mieten Anlaufstelle für alle möglichen Menschen und Lebensformen abseits des Mainstreams war, ist längst durchgentrifiziert, von den Tech-Millionären aus dem nahen Silicon Valley übernommen, von Touristen überlaufen.

Manche, wie der Künstler Stafford, sind ins benachbarte Oakland gezogen, andere in ländliche Regionen Amerikas wie Colorado oder New Mexico. Als eine der wenigen kann Susan Stryker noch in San Francisco leben, dank eines günstigen Hauskaufs vor Jahrzehnten, aber auch der Möglichkeit, an wechselnden Universitäten zu unterrichten. Keine Selbstverständlichkeit, sah sich die offen transsexuell lebende Stryker doch lange Zeit Diskriminierungen ausgesetzt, wurde ihre akademische Karriere beeinträchtigt.

Wie weit Transmenschen noch von der allgemeinen Gleichstellung entfernt sind – von allgemeiner gesellschaftlicher Distanz ganz zu schweigen – ist immer wieder Thema der Gespräche. Zumal zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch Donald Trump Präsident war, der Anti-Trans-Gesetze verschärfte, vor allem aber für eine gesellschaftliche Stimmung sorgte, in der sich Transmenschen und andere Minderheiten zunehmender Anfeindungen von Teilen der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt sahen, die um ihre Vorherrschaft bangte.

Eine gewisse Melancholie zieht sich so durch Monika Treuts „Genderation“, eine Stimmung, die zwischen hoffnungsvoll und ratlos changiert, zwischen dem Gefühl, dass sich in den letzten Jahrzehnten zwar einerseits viel entwickelt und zum Positiven verändert hat, andererseits auch noch ein langer, schwieriger Weg bevorsteht.

 

Michael Meyns