Giraffada

Zum Vergrößern klicken

Ein Kinderfilm im Nahostkonflikt. Kein leichtes Vorhaben, das der palästinensische Debütregisseur Rani Massalha jedoch überzeugend bewältigt. In "Giraffada" erzählt er von einem zehnjährigen Jungen und seiner Giraffe, beide auf die ein oder andere Weise eingesperrt, die eine im Käfig, der andere im Westjordanland. Ein schöner Film, angesichts der Thematik eher für etwas ältere Kinder geeignet.

Webseite: www.zorrofilm.de

Palästina, Italien, Deutschland, Frankreich 2013
Regie: Rani Massalha
Buch: Xavier Nemo, Rani Massalha
Darsteller: Saleh Bakri, Laure de Clermont-Tonerre, Ahmad Bayatra, Mohammad Bakri, Lutuf Nouasser, Roschdy Zem
Länge: 90 Minuten
Verleih: Zorro Film, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 28. Mai 2015
 

FILMKRITIK:

Der zehnjährige Ziad (Ahmad Bayatra) liebt Giraffen. Da sein Vater Yacine (Saleh Bakri) als Tierarzt im einzigen Zoo des Westjordanlands arbeitet, kann er täglich Zeit mit dem unzertrennlichen Giraffenpaar Brownie und Rita verbringen, das ihm viel lieberer Spielkamerad ist als seine Schulkameraden. Wir schreiben das Jahr 2002, die Gebiete der Palästinenser sind durch die Mauer vom Rest Israel getrennt, die alltäglichen Schikanen lassen auch die palästinensischen Kinder zunehmend verrohen. Als bei einem militärischen Gefecht in der Nähe des Zoos Granaten einschlagen, verletzt sich Brownie und stirbt. Woraufhin Rita das Futter verweigert und bald unweigerlich einzugehen droht. Der einzige Ausweg scheint zu sein, Rita mit einem neuen Männchen zusammenzubringen, doch im Westjordanland gibt es keine anderen Giraffen. Allein im nahen und doch so fernen Israel gäbe es Rettung. Mit Hilfe der französischen Journalistin Laura (Laure de Clermont-Tonerre) fasst Yacine einen gewagten Plan: Er will die israelische Giraffe in das Westjordanland entführen.

Lose basiert die Geschichte tatsächlich auf wahren Begebenheiten, vor allem aber ist sie treffende Metapher für die Lage der Palästinenser. Die Mauer, die eigentlich nur Israel von den Palästinensergebieten trennen und Schutz vor Angriffen bieten sollte, ist längst zum Symbol der Unterdrückung geworden. Auch Rani Massalha zeigt Szenen der Diskriminierung, ruppige israelische Soldaten, willkürliche Durchsuchungen und andere Schikanen. Doch er ist klug genug, auch die Missstände auf palästinensischer Seite nicht auszusparen: Mindestens so sehr wie die Mauer behindert die alltägliche Korruption Yacines Arbeit, besonders in Gestalt des Zoodirektors, der immer wieder vorgibt, kein Geld für Medikamente und Futter zur Verfügung zu haben.

Diese komplexe Thematik mutet fasst zu viel für einen Film an, der mit seiner einfachen Geschichte deutlich an ein junges Publikum gerichtet ist. Bilder von gewaltsamen Auseinandersetzungen zeigt Massalha zwar nicht, etwas Vorwissen über die Hintergründe des  Nahost-Konflikts helfen aber beim Verständnis der Geschichte. Diese entwickelt in der zweiten Hälfte einige Spannung und spitzt sich zu einem fast surrealen Finale zu, in der die Giraffen zwischen die Fronten der Auseinandersetzungen geraten. Wie es Massalha hier gelingt, die Ebenen von Kinder/ Jugendfilm und surreal angehauchtem Drama zusammenzubringen, ist bemerkenswert und macht aus "Giraffada" einen einfachen, aber doch tiefsinnigen Film über ein Leben in ständiger Krise.
 
Michael Meyns