Gletschergrab

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Die deutschen lieben Krimis, besonders die aus dem Norden. Zum Beispiel Island wo „Gletschergrab“ angesiedelt ist, die Verfilmung des Bestsellers von Arnaldur Indriðason. Doch keine düstere, existenzialistische Geschichte wird erzählt, sondern eine ziemlich hanebüchene, wenngleich leidlich unterhaltsame Kolportage, die um ein abgestürztes Flugzeug kreist, das Ende des Zweiten Weltkriegs geheime Nazi-Unterlagen transportierte.

Napoleonsskjolin
Island/ Deutschland 2022

Regie: Óskar Thór Axelsson
Buch: Marteinn Thorisson, nach dem Roman von Arnaldur Indriðason
Darsteller: Vivian Ólafsdóttir, Wotan Wilke Möhring, Iain Glen, Jack Fox, Ólafur Dari Ólafsson

Länge: 112 Minuten
Verleih: Capelight
Kinostart: 9. März 2023

FILMKRITIK:

Das Leben der Bankangestellten Kristin (Vivian Ólafsdóttir) verlief unbeschwert – bis plötzlich der deutsche Agent Simon (Wotan Wilke Möhring) vor ihrer Tür auftaucht und versucht sie zu töten. Kurz zuvor hatte Kristins Bruder ihr Fotos und Videoclips von einem Flugzeugwrack geschickt, das er in einem Gletscher entdeckt hatte. Die Besonderheit: Auf der Heckflosse befindet sich ein Hakenkreuz und die uniformierten Leichen im Inneren der Maschine ließen keinen anderen Schluss zu, als das es sich hier um ein seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verborgenes Rätsel handelt.

Das schnell den CIA auf den Plan ruft, der in Gestalt von William Carr (Iain Glen) in Island einfällt und alles daran setzt, die Entdeckung des Flugzeuges geheim zu halten. Wodurch Kristins Lebens in akuter Gefahr ist, doch dankenswerterweise hält sich gerade der britische Historiker Steve Rush (Jack Fox) auf Island auf, der ein ausgewiesener Kenner der obskureren Aspekte der Nazi-Geschichte ist.

Er ahnt, was es mit dem Flugzeug, seinen Insassen und dem Geheimnis, dass sie transportierten auf sich hat. Gemeinsam macht sich das Paar auf die Suche, stößt auf Nachkommen früher Expeditionen, schrullige Isländer, eingefrorene Leichen von Nazis und blutrünstige CIA-Killer.

Meist zeichnen sich die in Deutschland so beliebten nordischen Krimis durch ihren harten Realismus aus, ihre psychologische Tiefe, ihren nüchternen Existenzialismus. Diese Qualitäten darf man bei Óskar Thór Axelsson „Gletschergrab“ nicht erwarten. Angesichts der kolportagehaften Geschichte um eingefrorene Nazis denkt man eher an Exploitation-Filme wie den finnischen „Iron Sky“, der aus versprengten Gerüchten einen ebenso abstrusen wie unterhaltsamen Film formte.

Auch „Gletschergrab basiert lose, okay, sehr lose, auf Mythen und Gerüchten, die um die Machenschaften der Nazis, aber auch der Alliierten kreisen, besonders um die Endphase des Zweiten Weltkriegs. Der Sieg über Nazi-Deutschland war nur noch eine Frage der Zeit, der anbrechende Konflikt mit der Sowjetunion wurde immer wichtiger. Wer eben noch Feind war, konnte morgen schon Partner im Kampf gegen einen neuen Feind sein. Diese Überlegung liegt dem Ausgangspunkt von „Gletschergrab“ zu Grunde, wird jedoch erst ganz am Ende enthüllt. Über weite Strecken funktioniert das Flugzeugwrack bzw. die Information, die in ihm vermutet wird, als klassischer MacGuffin, hinter dem alle Beteiligten her sind, ohne zu wissen hinter was man eigentlich jagt.

Als routinierter Krimi funktioniert „Gletschergrab“, bleibt stilistisch allerdings meist auf besserem TV-Niveau hängen, allein sein Spiel mit Nazi-Mythen wäre für das Abendprogramm der öffentlich-rechtlichen wohl ein wenig zu gewagt.

 

Michael Meyns