Global Player – Wo wir sind isch vorne

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Regionales liegt voll im Trend. Was Krimi-Romane erfolgreich vormachen, hat sich auf der Leinwand gleichfalls bestens bewährt: Von „Eine ganz heiße Nummer“ über „Dampfnudelblues“ bis zu „Die Kirche bleibt im Dorf“ - der Heimatfilm Reloaded begeistert das Publikum in Scharen. Dieser amüsant nachdenkliche Schwabenstreich handelt von einem sturköpfigen Patriarchen, der verzweifelt versucht, seine mittelständische Fabrik vor dem Niedergang und dem Zugriff chinesischer Investoren zu retten. Zugleich gilt es marode Familienbande zu kitten, sowie alte Traumata aus der Kriegszeit zu überwinden. Was zur flauen Klischeekiste verkommen könnte, entpuppt sich als gut erzählte, eindrucksvoll fotografierte und überzeugend gespielte Tragikomödie der unterhaltsamen Art.

Webseite: www.movienetfilm.de

D 2013
Regie: Hannes Stöhr
Darsteller: Christoph Bach, Walter Schultheiß, Inka Friedrich, Ulrike Folkerts
Filmlänge: 95 Minuten
Verleih: Movienet
Kinostart: 3. Oktober 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Was kostet diese Burg?“, beim Stammsitz der Preußen, der Burg Hohenzollern, geht der chinesische Finanzhai zwar noch leer aus. Umso erfolgreicher wird später seine Shopping-Tour im nahegelegenen Hechingen ausfallen. Dort ist die mittelständische Textilmaschinenfabrik „Bogenschütz und Söhne“ in arge Schieflage geraten. Vor der drohenden Pleite kann der marode Betrieb nur noch durch eine kräftige Finanzspritze gerettet werden. Dank diverser Patente ist das schwäbische Familienunternehmen immerhin ein durchaus lohnendes Objekt für die asiatische Konkurrenz. Der umtriebige Juniorchef (Christoph Bach) fädelte die Verhandlungen heimlich ein. Allerdings hat er die Rechnung ohne den sturen Senior (Walter Schultheiß) und dessen Vetorecht gemacht. „Finger weg vom Chinesen!“ poltert der Wirtschaftswunder-Patriarch. Als zu seinem 90sten Geburtstag die Kinder zur großen Feier anreisen, platzt für die Geschwister nicht nur die Bombe vom drohenden Bankrott, auch die Familienbande werden arg strapaziert. Die Krise freilich sorgt immerhin dafür, dass der tyrannische Vater seinen Töchtern langsam etwas näherkommt. Endlich zeigt er Gefühle und erstmals offenbart er seine verdrängten Traumata, die er seit Kriegszeiten mit sich herumschleppt. Mit vereinten Kräften kann es der schwäbische Clan schließlich verhindern, sich von den übermächtigen Chinesen über den Tisch ziehen zu lassen.

Nein, eine zweite „Kirche bleibt im Dorf“ wollte er nicht machen, betont Regisseur Hannes Stöhr („Berlin Calling“). Schwäbisch und komisch sei sein Film zwar ebenfalls, doch wolle er diese Ode an den Mittelstand als „Parabel auf die Globalisierung“ verstanden wissen sowie als „neuen Umgang mit der Heimat“. Das Konzept geht durchaus auf, denn Stöhr nimmt die Problematik ernst: Da gibt es echte Sorgen um die langjährige Belegschaft sowie das plötzliche Einknicken der Banken bei dringend benötigten Krediten. Da wird man von der Konkurrenz aus Fernost nicht nur gnadenlos unterboten, sondern wie selbstverständlich um das geistige Eigentum betrogen. Für die komischen Elemente sorgt derweil das hübsche Figurenkabinett, das vom strebsamen Geschäftsführer über den resolute Pflegerin aus Polen bis zur biodynamischen Yoga-Unternehmerin namens Marlies reicht.

Als ganz großer Trumpf entpuppt sich Hauptdarsteller Walter Schultheiß. Für den schwäbischen Grantler mit harter Schale und goldenem Herzen ist der 89-Jährige Volksschauspieler die Idealbesetzung schlechthin. Als ein von verdrängten Kriegserlebnissen bis heute traumatisierter älterer Herr, der seiner verlorenen Jugend nachtrauert und sich für die Nazi-Gräuel schämt, gibt der 89-Jährige eine grandiose Glanzvorstellung, die unter die Haut geht - vielleicht die Rolle seines Lebens.

Zum visuellen Sahnehäubchen geraten die überaus prächtigen Bilder rund um den Hohenzollern, wo Regisseur Stöhr einst aufgewachsen ist. Fast klar, dass bei dem schwäbischen Filmemacher der Dialekt so angenehm ungekünstelt wie selten im Kino ausfällt - und auch jenseits des Maultaschen-Äquators verständlich sein dürfte. Immerhin will Stöhr mit seinem Schwabenstreich demnächst auf dem chinesischen Markt antreten. Heimat ist schließlich überall.

Dieter Oßwald