Grüsse vom Mars

Der zehnjährige Tom träumt davon, Astronaut zu werden und als erster Mensch zum Mars zu fliegen – und einige seiner Freunde und Verwandte wünschen sich sehr, dass sein Traum bald in Erfüllung geht. Tom leidet nämlich an einer Autismus-Spektrum-Störung und kann, wenn er mit widrigen Umständen zu kämpfen hat, zu einer fürchterlichen Nervensäge werden. Sarah Winkenstette hat über diesen tapferen zukünftigen Astronauten einen geistreichen, authentischen und wirklich witzigen Familienfilm gedreht, der Kinder und ihre erwachsene Begleitung blendend unterhalten wird.

 

Über den Film

Originaltitel

Grüsse vom Mars

Deutscher Titel

Grüsse vom Mars

Produktionsland

DEU

Filmdauer

84 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Winkenstette, Sarah

Verleih

Farbfilm Verleih GmbH

Starttermin

08.05.2025

 

Tom (anrührend: Theo Kretschmer) ist zehn Jahre alt und ein absolutes As in Mathematik. In anderen Dingen, besonders in denen, die mit der Bewältigung des Alltags zu tun haben, ist er stark herausgefordert. Er verabscheut die Farbe Rot (was so weit geht, dass er nicht durch rote Türen gehen kann), erträgt keinen Lärm und reagiert empfindlich auf Veränderungen seiner durchchoreographierten Alltagsroutinen. Doch jetzt wartet eine große Herausforderung auf ihn: seine Mutter, die dauerüberforderte Journalistin Vera (höchst authentisch: Eva Löbau) muss beruflich vier Wochen in China verbringen. Dies bedeutet, dass Tom mit seinen Geschwistern, der dauertelefonierenden Nina (Lili Lacher) und dem ständig auf Rekordsuche befindlichen Elmar (Anton Noltensmeier), die mutterlose Zeit bei den chaotischen Großeltern auf dem Lande verbringen soll. Seine Mutter hat ihm diesen Aufenthalt als „Probemission“ für seinen zukünftigen Flug zum Mars verkauft. Deshalb ist es für Tom eine Selbstverständlichkeit, dort im Astronautenanzug mit Logbuch unterm Arm aufzukreuzen. Aber die Türschwelle überschreitet er erst mal nicht, weil die Tür rot ist … doch das ist erst der Anfang.

Für Großstädter kann sich das Leben in der sogenannten „Provinz“ tatsächlich genauso anfühlen wie der Aufenthalt auf einem Lichtjahre entfernten, feindseligen Planeten. Und umgekehrt funktioniert das natürlich ebenfalls: Wenn die Enkel aus der Großstadt einfallen, denken die herzensguten Großeltern – brillant herausgekauzt von Hedi Kriegeskotte und Michael Wittenborn – zunächst mal, dass sie es mit einer Alien-Invasion zu tun haben. Der Mars ist überall, warum also nicht auch im beschaulichen Lunau im schönen Norden? 

Sarah Winkenstette hat ungewöhnliche Mittel gefunden, um den Zuschauern die Fremdartigkeit filmisch umzusetzen, mit der sich die Welten von Tom und den nicht von Autismus betroffenen Menschen gegenüberstehen. Wenn Tom unter Stress gerät, zeigt die Kamera plötzlich nur einen kleinen, gelegentlichen unscharfen Ausschnitt, der Ton wird dumpf und schwer zu verstehen. Toms Träume zeigt sie in animierten Sequenzen. Mit diesen zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkenden filmkünstlerischen Mitteln schafft die Regisseurin einen reizvollen Kontrast zwischen Toms eigener, gelegentlich hermetischer Welt und den immer wieder überbordenden Slapstick-Eskapaden seiner Restfamilie. So entsteht eine ganz eigene Atmosphäre, die den Zuschauer in ihren Bann zieht. Wir erleben eine abenteuerliche Reise ins Herz der norddeutschen Provinz und begleiten den Protagonisten dieser Geschichte dabei, sich einer Aufgabe zu stellen, die für ihn eine noch  größere Herausforderung als ein Flug zum Mars ist: Er muss über sich selbst hinauswachsen, um Dinge zu vollbringen, die für scheinbar „normale“ Menschen das einfachste auf der Welt sind. 

Dieses ganz große Abenteuer, auf das Tom sich einzulassen lernt, hat Sarah Winkenstette gleichberechtigt neben die großen und kleinen Abenteuer gestellt, die seine Großeltern und Geschwister mit ihm, für und gegen ihn erleben wollen bzw. müssen. Auf diese Weise ist eine ziemlich komplexe, aber jederzeit nachvollziehbare, mitreißende und oft urkomische Filmerzählung entstanden – ein Familienfilm im besten Sinne.

 

Gaby Sikorski

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