Guten Tag, Ramon

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Eine Einwanderer-Geschichte, die trotz mancher Schwierigkeiten mit interkultureller Freundschaft endet, erzählt der mexikanische Regisseur Jorge Ramírez-Suárez in seinem Film „Guten Tag, Ramón“. Mit einer gewissen Naivität schildert er die Erlebnisse eines Mexikaners in Wiesbaden - womit er immerhin in seiner Heimat einen großen Erfolg feierte.

Webseite: www.fox.de/gutentagramon

Mexiko 2014
Regie. Buch: Jorge Ramírez-Suárez
Darsteller Kristyan Ferrer, Ingeborg Schöner, Hector Kotsifakis, Franziska Kruse, Rüdiger Evers, Arcelia Ramirez, Adriana Barraza
Länge: 120 Minuten
Verleih: Fox
Kinostart: 22. Januar 2015
 

FILMKRITIK:

Schon fünf Mal hat Ramón (Kristyan Ferrer) versucht, die Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten zu überqueren, fünf Mal ist er geschnappt worden. Während sich seine Mutter über seine Rückkehr freut, zweifelt die Oma an seinem Verstand. Gemeinsam lebt das Trio in einer kleinen Hütte, irgendwo in der mexikanischen Provinz, hält sich mehr schlecht als recht über Wasser und hofft auf ein besseres Leben. Und wenn dieses nicht in den USA zu finden ist, dann vielleicht in Deutschland.
Die Tante eines Freundes hat es dorthin geschafft und schickt regelmäßig begeisterte Nachrichten nach Hause. Und so macht sich Ramón auf den Weg: Mit dem Bus nach Mexiko-City, per Flugzeug nach Frankfurt, wo er als Tourist einreist, bald seinen Weg nach Wiesbaden und auch das Haus der Tante findet – doch dort steht er vor verschlossener Tür. In der Kälte des deutschen Winters, in der der Mexikaner mit viel zu dünner Jacke bibbert, scheint der Traum schon ausgeträumt.

Doch Ramón hat ein fröhliches Temperament, lässt sich von Schwierigkeiten nicht aufhalten und findet in der allein lebenden Rentnerin Ruth (Ingeborg Schöner) einen rettenden Engel. Erst bringt er ihr nur die Einkaufstaschen nach Hause, dann versorgt sie Ramón mit einer warmen Jacke, lässt ihn bald im Keller wohnen und steckt ihm für Hilfsdienste im Haus regelmäßig Geldscheine zu. Dank Ramóns Lebensfreude findet sich die Hausgemeinschaft bald zum gemeinsamen Tanzunterricht ein, doch in jedem Moment droht der Frieden durch die drohende Ausweisung zerstört zu werden.

Bekanntermaßen zieht es die meisten mexikanischen Emigranten nach Norden, in die Vereinigten Staaten, während Europa ein deutlich weniger beliebtes Ziel ist. Da er selbst seit langem in Deutschland lebt wollte Autor und Regisseur Jorge Ramírez-Suárez einen Film über diese Gruppe von Wirtschafts-Flüchtlingen drehen und gleichzeitig von der von ihm selbst erlebten Gastfreundschaft der Deutschen erzählen. Dabei erzählt er jedoch mit solch groben Strichen, bedient sich zahlloser Klischees, dass sein Film weniger einem realistischen Film über die Nöte eines Einwanderers ähnelt, als einem verklärenden Märchen. Dass er seine Hauptfigur Ramón zudem als naive Figur schildert, die stets mit großen, staunenden Augen die Welt wahrnimmt und nichts lieber tut als Tortilla zu essen und Merengue zu tanzen, wäre einem nicht mexikanischen Regisseur fraglos als problematisch simples Menschenbild vorgeworfen worden.

Diese groben Züge von Drehbuch und Charakterisierung sind umso bedauerlicher, als „Guten Tag, Ramón“ in vielen Aspekten überzeugt: Vor allem Hauptdarsteller Kristyan Ferrer, der mit einer Rolle in „Sin Nombre“ bekannt wurde, hat viel Charisma und bildet mit der erfahrenen deutschen Schauspielerin Ingeborg Schöner ein sympathisches Paar. Gerade wenn das ungleiche Duo versucht, nur mit Gesten und Zeichnungen zu kommunizieren, von ihren jeweiligen Schicksalen berichtet und sich ohne Worte versteht, gelingt es Jorge Ramírez-Suárez viel über das Glück kleiner Momente zu erzählen. Doch so subtil und feinfühlig ist „Guten Tag, Ramón“ leider nicht immer.
 
Michael Meyns