Happiness

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Ein schweigsamer Mann kommt in eine Kleinstadt und verbreitet Glück unter den Bewohnern. Dabei hilft ihm ein mysteriöser Helm, mit dem der Träger die schönste Erinnerung seines Lebens nochmals erfahren kann. Doch der Helm ist auch in der Lage, die dunkelsten Erlebnisse und größten Ängste hervorzurufen. „Happiness“ ist ein ebenso unkonventionelles, exotisches Thriller-Drama, wie es die Handlung bereits vermuten lässt. Pessimistisch und düster in der Grundstimmung, reduziert in der Inszenierung. Empfehlenswert für alle, die außergewöhnliche filmische Experimente abseits ausgetretener Genre-Pfade schätzen.

Webseite: rapideyemovies.de/happiness/

Japan 2016
Regie & Drehbuch: SABU
Darsteller: Masatoshi Nagase, Erika Okuda, Hiroki, Suzuki, Arisa Nakajima
Länge: 90 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 30. November 2017

FILMKRITIK:

Kanzaki (Masatoshi Nagase) besucht eine japanische Kleinstadt und hat eine Box im Gepäck, in der sich eine merkwürdige Maschine befindet. Es handelt sich um einen selbstgebauten Helm. In einem Laden setzt er ihn einer teilnahmslos, traurig wirkenden Frau auf. Nach einem kurzen Moment kehrt Freude in ihr Gesicht zurück. Denn: der Helm ermöglicht dem der ihn aufhat, die schönsten Erinnerungen seines Lebens noch einmal zu durchleben. Es dauert nicht lange und die wundersame Erfindung ist das heißeste Gesprächsthema der Stadt. Daraufhin überredet der Bürgermeister Kanzaki, auch den anderen Bewohnern Glücksgefühle zu bescheren und sie aus ihrer Lethargie zu holen. Kanzaki nimmt an, aber niemand ahnt, dass der Helm  auch negative, traumatische Erfahrungen lebendig machen kann. Genau das will Kanzaki gegen einen bestimmten Bewohner einsetzen.

Masatoshi Nagase, der Hauptdarsteller des Films, zählt seit den frühen 90er-Jahren zu den populärsten Schauspielern seiner japanischen Heimat. Für “Happiness” arbeitete er erstmals mit Regisseur SABU (eigentlich: Hiroyuki Tanaka) zusammen. SABU, ebenfalls aus Japan, ist als Filmemacher aber auch als Schauspieler tätig. Der Durchbruch als Regisseur gelang ihm im Jahr 2000 mit dem Thriller-Drama „Monday“, der auch auf der Berlinale gezeigt wurde. Nach „Mr. Long“ ist „Happiness“ sein zweiter Film, der 2017 in den deutschen  Kinos startet.

Es ist ein größtenteils unheilvolles, trostloses Szenario, das SABU hier entwirft. Und das den erzählerischen Rahmen des Films bildet. Denn alle Bewohner der Stadt, in die Kanzaki kommt, scheinen auf eine gewisse Art depressiv, mutlos und völlig desinteressiert zu sein. SABU fängt diese hoffnungslose Stimmung in düsteren, farblosen Bildern ein und zeigt die Bewohner in langen Einstellungen. Deren Körperhaltung und Gestik stehen exemplarisch für ihren seelischen Gemütszustand: hängende Schultern, von Schwermut durchzogene Blicke, gesengte Köpfe.  Hinweise, was die Menschen so werden ließ, liefert SABU nicht.

Überhaupt hält er sich nicht lange mit Erklärungen auf und inszeniert seinen Film karg und minimalistisch. Optischer sowie akustischer Stil- und Gestaltungsmittel bedient sich SABU nur selten und wenn, dann sehr gezielt. So setzt er bei der Visualisierung der Erinnerungsfetzen der Menschen, die ihre schönsten Erfahrungen durchleben, auf Elemente wie Verzerrung, Unschärfe oder auch wackelige Handkamera. Abgesehen davon aber ist der Film inszenatorisch schlicht und inhaltlich einfach gehalten. Zudem wird nicht viel gesprochen, Ton- und Digital-Effekte sind rar gesät und eine musikalische Untermalung einzelner Szenen existiert überhaupt nicht.

Gerade das Fehlen der Musik verstärkt die seelenlose, beklemmende Atmosphäre, die ohnehin im Film herrscht, noch zusätzlich. Die Stimmung in der Stadt wirkt auf den Zuschauer dadurch äußerst befremdlich und kühl, fast klinisch steril. Ein (vorübergehender) Wandel vollzieht sich erst, als sich die Einwohner – einer nach dem anderen – der ominösen „Behandlung“ durch Kanzaki unterziehen. Ihre Mimik verändert sich, die Gesichter werden freundlicher und der Lebensmut kehrt zurück. Bei allen, außer bei Kanzaki. Denn dass dieser aus einem ganz bestimmten, nicht gerade erfreulichen Grund in die Stadt kam, deutet sich ca. nach der Hälfte an.

Die Bilder, die SABU wählt um das zu verdeutlichen, sind nicht nur radikal und drastisch, sondern auch extrem blutig. Diese Schonungslosigkeit könnte auf den einen oder anderen Betrachter verstörend wirken. Allerdings: angesichts der Tragödie, die Protagonist Kanzaki zu verschmerzen hatte, sind die von SABU eingesetzte Härte und die dringliche Radikalität nur konsequent und damit angebracht.

Björn Schneider