Headhunters

Zum Vergrößern klicken

Jo Nesbø ist Norwegens derzeit erfolgreichster Thriller-Autor. Dass nun eines seiner populärsten Werke für das Kino verfilmt wurde, scheint eine naheliegende Idee. „Headhunters“ beginnt als gewöhnlicher Krimi mit Heist-Elementen, nur um dann gleich mehrere Volten in Richtung eines gemeinen, blutigen aber auch selbstironischen Genrefilms zu schlagen. Zwischen geradezu absurden Gewaltausbrüchen und temporeichen Verfolgungsszenen findet der Film zu seinem ganz eigenen Rhythmus.

Webseite: www.headhunters-derfilm.de

OT: Hodejegerne
Norwegen 2011
Regie: Morten Tyldum
Drehbuch: Ulf Ryberg, Lars Gudmestad nach einem Roman von Jo Nesbø
Darsteller: Aksel Hennie, Synnøve Macody Lund, Nikolaj Coster-Waldau, Eivind Sander, Julie Olgaard
Laufzeit: 98 Minuten
Kinostart: 15.3.2012
Verleih: NFP/drei-freunde

PRESSESTIMMEN:

...

FILMKRITIK:

Es ist ein riskanter Plan und wieder jeder riskanter Plan so muss auch dieser gründlich schief gehen. Eigentlich ist „schief gehen“ noch eine ziemliche Untertreibung, denn was dem erfolgreichen Headhunter Roger Brown (Aksel Hennie) widerfährt, ist die Überbietung des Worst Case Szenarios in jeder nur erdenklichen Hinsicht. Das Mitleid hält sich dennoch sehr in Grenzen, immerhin ist der stets perfekte gekleidete Geschäftsmann ein eiskalter Karrierist und selbst schuld an dem Schlamassel, in das er sich hineinbegeben hat. Alles beginnt mit der Aussicht auf einen Millionen-Coup. Um seinen aufwändigen Lebensstil zu finanzieren und seiner Frau Diana (Synnøve Macody Lund) jeden Wunsch erfüllen zu können, raubt Roger gelegentlich seine Kunden aus. Kunstdiebstähle sind seine Spezialität. Als er den holländischen Geschäftsmann Clas Greve (Nikolaj Coster-Waldau) kennenlernt, erfährt er, dass dieser im Besitz eines lange verloren geglaubten Gemälde von Rubens ist. Für Roger bietet sich plötzlich die einmalige Gelegenheit auf den Jackpot, der alle Geldsorgen auf einen Schlag lösen könnte.

Der Norweger Jo Nesbø zählt mit einer verkauften Auflage von über 11 Millionen Büchern zu den weltweit erfolgreichsten Thrillerautoren. 2008 erschien sein Roman „Headhunter“, der wochenlang auch in den deutschen Bestsellerlisten zu finden war. Die nun vorliegende Kinoumsetzung interpretiert die Geschichte als temporeiche, bisweilen herrlich absurde Genreerzählung, die losgelöst von Glaubwürdigkeit und Logik erstaunlich gut funktioniert. Es dauert nicht lange, bis die Handlung die Pfade braver, skandinavischer Thrillerkost verlässt. Nesbøs Vorlage wird unter Regisseur Morten Tyldum zu einem kleinen, dreckigen Noir, der mit sich, seiner Hauptfigur und uns Zuschauern wenig Erbarmen kennt.

In „Headhunters“ fließt nicht nur reichlich Blut, es wird passend dazu auch unablässig gelitten und gegen den eigenen Tod angekämpft. Bei dieser mit fast schon sadistischer Freude zelebrierten Eskalation der Gewalt gilt allein das Gesetz des Stärkeren (und des Cleveren). Wie Roboter kämpfen sich der anfangs ziemlich überforderte Schlipsträger und sein überaus gerissener Verfolger von einem Schlachtfeld zum nächsten. Währenddessen gibt es kaum eine Gelegenheit, um einmal in Ruhe durchzuatmen. Vor allem seinem Hauptdarsteller Aksel Hennie verlangt Tyldum auch körperlich einiges ab. Hennie spielt den zunächst aalglatten, kaum greifbaren Personalvermittler als eiskalten Playboy mit Minderwertigkeitskomplexen. Dass er kleiner als seine Frau ist, passt nicht so recht zu seinem männlichen Selbstverständnis.

Mit Kollateralschäden muss bei dieser Hetzjagd durch die norwegische Einöde praktisch jederzeit gerechnet werden. Überhaupt ist „Headhunters“ wenig zimperlich. Was den Film dabei so unterhaltsam und auf eine verquere Weise sogar sympathisch macht, ist sein spielerischer, respektloser Umgang mit Genreregeln und filmischen Gesetzmäßigkeiten. Tyldum ist sich bewusst, dass er die viel zitierte Schmerzgrenze gleich mehrfach überschreitet. Er tut dies jedoch mit einem unübersehbaren Augenzwinkern. Seine und Nesbøs Ambitionen liegen nicht in den Sphären eines Stieg Larsson – mit dessen „Millennium-Trilogie“ teilt sich ihr Film lediglich das Produzententeam – sondern in 90 Minuten spannender Unterhaltung. Wem das zu wenig ist, sollte sich woanders umsehen.

Marcus Wessel

Roger Brown empfindet sich als Cleverle. Groß gewachsen ist er nicht, aber er hat eine sehr attraktive Frau. Sein Tagesberuf: Headhunter, das heißt die richtige Persönlichkeit für den richtigen Job finden.

Sein Nachtberuf: Er kundschaftet aus, wo teure Gemälde aufzutreiben sind, stellt Kopien davon her und tauscht sie in der Nacht oder bei Abwesenheit des Besitzers gegen die Originale aus. Die Beute wird von Norwegen – aus diesem Land stammt der Film – nach Schweden geschmuggelt. Geld bringt das viel ein, und deshalb kann Brown sich auch seinen hohen Lebensstandard leisten.

Er hat als Headhunter Clas Greve kennen gelernt, der als Elektronik-Technik-Spezialist eine führende Stelle sucht und den er vermitteln will. Bei dem Vorstellungsgespräch erwähnt Greve zufällig, dass seine verstorbene Großmutter ein Rubens-Bild besaß, das als verschollen galt. Brown wittert ein Supergeschäft, mit dem er seine Ganovenkarriere beenden könnte.

Der Haken: Clas Greve ist genau so clever wie Roger Brown, und deshalb geht es mit diesem Raub schief. Jetzt beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich gewaschen hat: Verstecken, verfolgen, Unfälle bauen, schießen, bluten, sterben, misstrauen, täuschen, an der Liebe der Gattin zweifeln, betrogen werden – die ganze Packung ist dabei.

Vieles ist stark übertrieben, mit der Realität hat das nicht viel zu tun. Aber es ist (nach einem Roman von Jo Nesbo) als reines „Kino“, actionmäßig toll gebaut, spannend, locations- und bildermäßig reichhaltig, lange andauernd und für Liebhaber des Genres sicherlich ein Genuss.

Außerdem spielen Aksel Hennie, der schlaue Betrüger Brown, Synnove Macody Lund, die aparte, groß gewachsene blonde Gattin Diana, und Nikolaj Coster-Waldau, Browns gleichgewichtiger Gegenspieler, ihre Rollen ganz vorzüglich und mit einer beachtlichen Bandbreite.

Über den zugrunde liegenden Roman schrieb die Zeitung „Politiken“: „Tarantino trifft die Coen-Brüder“. Das ist goldrichtig und gilt auch für den Film.

Für Fans von Action-Knüllern.

Thomas Engel