Heaven Can Wait – Wir leben jetzt

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Fiktive Geschichten propagieren, dass man nie zu alt ist, etwas Neues anzufangen. Ein Dokumentarfilm wie „Heaven Can Wait – Wir leben jetzt“ zeigt aber, dass das wirklich möglich ist. Autor und Regisseur Sven Halfar folgte sechs Mitgliedern des Hamburger Chores, bei dem jeder mindestens 70 Jahre alt sein muss. Sie sprechen über ihre Gefühle, über das Stehen auf der Bühne, auch darüber, wie sie sich lebendiger denn je fühlen. Ein inspirierender Film.

Webseite: https://mindjazz-pictures.de/filme/heaven-can-wait/

Deutschland 2023
Regie: Sven Halfar
Buch: Sven Halfar

Länge: 103 Minuten
Verleih: mindjazz Pictures
Kinostart: 12. Oktober 2023

FILMKRITIK:

Um Mitglied in diesem Chor werden zu können, muss man mindestens 70 Jahre alt sein. Manche der Mitglieder sind bereits seit mehr als 20 Jahren dabei. Sie stehen auf der Bühne und sie singen, aber nicht alte Volkslieder, die man vielleicht erwarten würde, sondern neue Songs – so wie „Emanuela“ von Fettes Brot. Damit überrascht der Chor, weil er auch Songs zum Besten gibt, die eine gewisse Einstellung benötigen, um sie mit Inbrunst darzubieten.

„Heaven Can Wait – Wir leben Jetzt“ zeigt die Menschen nicht nur beim Proben und den Auftritten, sondern lässt sie zu Wort kommen. Das ist wichtig, weil man nur so versteht, wie die Mitgliedschaft im Chor zu einem neuen Lebensgefühl geführt hat. Jeder von ihnen sagt, dass er sich bei den Proben und auf der Bühne so lebendig wie noch nie fühlt. Und auch: Dass das Singen sie jung hält.

Der Film zeigt aber auch die Schwierigkeiten, die in höherem Alter auftreten. So erklärt einer der Sänger, dass er schon aufpassen muss, dass die Zahnprothese nicht rausfällt, wenn er gesanglich zu viel Druck aufbaut. Der Film ist lebensbejahend, hat aber auch ein Gefühl von Melancholie. Weil er auch die Corona-Jahre abdeckt und zeigt, wie die Mitglieder des Chores zurechtkamen in einer Zeit, in der man nicht mehr proben und sich nicht mehr sehen durfte – und das über zwei Jahre hinweg. Als es wieder losging, waren alle auch älter geworden. Ist man mal über 80 Jahre alt, dann sind zwei Jahre schon eine lange Zeit.

Der Film erzählt auch vom Mut, sich auf die Bühne zu stellen. Denn wer sie betritt, der muss auch immer bereit sein, ein Stück von sich selbst preiszugeben. Das ist eine Herausforderung, insbesondere auch für die Kriegsgeneration, die gelernt hat, über Gefühle nicht zu sprechen. Aber Gefühl ist es, das sich auf der Bühne ausbreitet, und mit dem der Chor auch das Publikum mitreißt.

„Heaven Can Wait – Wir leben jetzt“ ist ein schöner, auch ein wichtiger Film. Darüber, die Zeit zu nutzen, die man hat, die Freude an etwas zu finden und sie zu transportieren und sich – egal, wie alt man ist – einfach jung zu fühlen.

Peter Osteried