Heidi

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Wer hätte das gedacht, dass man nach all den vielen Filmen und Zeichentrickserien die alte, wohlbekannte Geschichte von Heidi, Klara, dem Alm-Öhi und dem Geissen-Peter noch mal neu und frisch und herzerwärmend erzählen kann? Alain Gsponer als Regisseur und dem bewährten Produzententeam um Jacob Claussen („Jenseits der Stille“, "Labyrinth des Schweigens") ist es gelungen! Mit einer sensationellen Kinderdarstellerin in der Titelrolle und Bruno Ganz als grantelndem Opa erzählen sie mit Herz, Witz, großer Ausstattung und tollen Kinobildern vom Waisenkind Heidi, das hin und her geschoben wird zwischen den Erwachsenen und sich dennoch nicht den neugierigen, liebevollen Blick auf die Welt verstellen läßt. Großes Kino für kleine und ebenso für große Menschen.

Webseite: www.heidi.studiocanal.de

Schweiz/ Deutschland 2015
Regie: Alain Gsponer
Buch: Petra Volpe, nach den Romanen von Johanna Spyri
Darsteller: Anuk Steffen, Bruno Ganz, Isabelle Ottmann, Quirin Agrippi, Katharina Schüttler, Hannelore Hoger, Peter Lohmeyer
Länge: 105 Minuten
Verleih: Studio Canal
Kinostart: 10. Dezember 2015

Pressestimmen/Auszeichnungen:

"Als Neuverfilmung ist Alain Gsponers HEIDI rundum gelungen, charmant und die perfekte Kino-Unterhaltung für die ganze Familie. - Prädikat besonders wertvoll."
FBW

FILMKRITIK:

Bei Kinderfilmen entscheiden meist die Eltern, was und was nicht gesehen wird. Und meist wird das angenommen, was schon bekannt ist. Insofern dürfte es die neueste “Heidi-“Verfilmung leicht haben – viel bekannter kann ein Stoff nicht sein. Für die Großeltern ist es vielleicht der Film von 1952 mit Theo Lingen als steifer Butler bei der Familie Sesemann in Frankfurt, für die Eltern eher die japanische Fernseh-Zeichentrickserie. Auf alle Fälle ist die Zeit anscheinend reif für eine neue Version – und die ist tatsächlich liebevoll, kinotauglich und lohnend geworden.
 
Die Geschichte ist wohlbekannt – und doch immer wieder anrührend. Angenehm kitschfrei, eher naturalistisch angedeutet werden die zeitlichen Hintergründe von Johanna Spyris 1880 erstmals veröffentlichtem Kinderbuch: Ende des 19. Jahrhunderts war das Leben nicht nur in den Bergen beschwerlich und gab es elementare Unterschiede in den Lebensverhältnissen zwischen Arm und Reich. Da konnte ein kleines Mädchen, dessen Eltern gestorben waren, schon zur Last werden. Und da war es normal, dass Kinder mitarbeiteten – auf der Alm als Ziegenhirte oder als Kindermagd auf einem Bauernhof.
 
Damit beginnt auch Heidis Geschichte: sie ist Waise und in den ersten Jahren bei ihrer Tante Dete aufgewachsen. Als die Heidi nicht mehr allein ernähren kann, gibt sie das Kind kurzerhand, wenn auch mit schlechtem Gewissen, in den Schweizer Bergen beim Großvater ab, dem Alm-Öhi. Der ist berüchtigt als brummiger Einzelgänger und Menschenfeind und will nichts wissen von dem Kind. Aber das aufgeweckte Mädchen ist schon froh, nicht ins Waisenheim zu müssen, und freut sich, endlich nicht mehr in einem Haus eingesperrt zu sein, sondern auf den Almwiesen die Weite der Bergwelt zu erfühlen. Durch ihre herzerwärmende Freundlichkeit schafft sie es bald, das Herz des Alten aufzuweichen. Auch zu dem unwirschen Geissen-Peter, der lieber in den Bergen bei den Ziegen arbeitet als sich ständig vom Lehrer verprügeln zu lassen, schließt sie rasch durch ihre gewitzte Art Freundschaft. Sie genießt ihre Freiheit in der Bergwelt – bis wieder einmal die Erwachsenen meinen, ihr Leben bestimmen zu müssen. Sie wird kurzerhand nach Frankfurt verfrachtet, wo sie in einem reichen Haushalt als Spielgefährtin der Tochter des Hauses, Klara, zu funktionieren hat. Auch mit Klara, die gelähmt im Rollstuhl sitzt, schließt sie Freundschaft, aber in diese Welt der piekfeinen großbürgerlichen Sitten, die streng von der Gouvernante Frau Rottenmeier überwacht wird, passt sie nun wirklich nicht hinein. Zumal Kinder mit eigenem Willen hier überhaupt nicht gern gesehen werden. Erst als sie versucht, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und zudem erkrankt, darf sie wieder zurück zu ihrem geliebtem Opa in die Berge – und darf die Geschichte ihr fröhlich-warmherziges Happy End erleben.
 
Mit knappen, gelungenen Szenen skizziert Regisseur Alain Gsponer (“Das kleine Gespenst”) die Welten zwischen harten Lebensverhältnissen und wunderschöner Natur. Er begeistert mit herrlichen Bergbildern, ohne die Schattenseiten zu verheimlichen. Womit der Film auch für Erwachsene sehenswert wird. Für Kinder ist es eine liebliche Welt voller Tiere und Abenteuer. Auch die strenge Frankfurter Stadtwelt bleibt unterhaltsam, da hier mit Ironie und mancherlei Slapstick die Figuren gezeichnet werden, wenn auch manchmal schon fast ein bißchen zu karikaturenhaft gespielt wird. Aber es ist schließlich ein Kinderfilm, der Spaß machen soll.
 
Einen Großteil am Gelingen hat die erstklassige Besetzung: großartig brummelnd und herzhaft spielt Bruno Ganz den Alm-Öhi, liebevoll Hannelore Hoger die Großmutter, verkniffen-ironisch Peter Lohmeyer den verständnisvollen Butler. Die Sensation aber ist die 9-jährige Anuk Steffen aus dem Schweizer Graubünden als Heidi. Nicht nur ihr Schweizer Akzent ist überwältigend, ihre strahlende Natürlichkeit macht die Glaubwürdigkeit ihrer Figur aus. Denn das vor allem ist die Geschichte von Heidi: die Geschichte eines Mädchens, das die Welt um sich herum mit Herzlichkeit und Freundlichkeit bereichert. Damit erobert sie nicht nur das Herz vom Alm-Öhi und von Klara, sondern wohl auch von allen kleinen und großen Besuchern des Films.
 
Hermann Thieken
 
 

Zig Filme und Serien sind nach den 1880 erschienen Heidi-Büchern der Schweizer Autorin Johanna Spyri schon entstanden, nun legt Alain Gsponer eine Neuverfilmung vor, die sich vorgenommen hat, den Stoff ernst zu nehmen und von verklärendem Naturkitsch zu befreien. Dass gelingt jedoch nur bedingt, zumal sich diese nur im Ansatz moderne „Heidi“ unbestimmt zwischen Sozialrealismus und Komik bewegt.
 
Nach dem Tod ihrer Mutter wird Heidi (Anuk Steffen) zu ihrem Großvater auf die Alm geschickt. Der Almöhi (Bruno Ganz) hat zunächst wenig Interesse an seinem Enkelkind, lässt es im Stall schlafen und gibt sich betont grantig. Doch bald kann er sich der unverstellten Lebensfreude Heidis nicht entziehen und schließt das Mädchen in sein Herz. Das Glück ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn ihre Tante Dete schickt Heidi nach Frankfurt, wo sie im Haus der wohlhabenden Familie Sesemann Manieren lernen soll. Und vor allem der nach dem Tod ihrer Mutter im Rollstuhl sitzenden Klara (Isabelle Ottmann) eine Freundin sein soll. Doch schnell wird klar, dass Heidi in der Enge der Stadt unglücklich ist, zumal das Kindermädchen Fräulein Rottenmeier (Katharina Schüttler) ein echter Hausdrachen ist. Allein Großmama Sesemann (Hannelore Hoger) erkennt die Nöte des Kindes und sorgt dafür, dass Heidi wieder zurück in ihre geliebten Berge darf.
 
Es ist seit einigen Jahren der Modus Operandi von Neuverfilmungen berühmter Stoffe, sich auf den Originaltext zu berufen oder sogar über das Wort hinauszugehen, um die Legende, die den Text inspirierte, auf die Leinwand zu bringen. Meist geht dieser Ansatz mit einem betonten Realismus einher, der absurd anmuten kann (etwa bei Ridley Scotts „Exodus“, der offensichtliche Mythen mit realistischen Ereignissen zu erklären sucht), bisweilen zu interessanten Ansätzen führt (wie bei der aktuellen „Macbeth“ Version, die Macbeth an den Folgen zu vieler Kriege leiden lässt) oder kann wie bei dieser „Heidi“-Version zu unfreiwilliger Komik führen.
 
Ganz offenbar hatten sich Regisseur Alain Gsponer und die Drehbuchautorin Petra Volpe viele „Heidi“-Versionen angeschaut, von der frühen Verfilmung mit Shirley Temple, der berühmten, prägenden japanischen Animationsserie, bei der tatsächlich Hayao Miyazaki beteiligt war, bis hin zu deutschen bzw. schweizerischen Versionen. Immer wieder betonen sie nun, nicht einfach die beiden Welten der Geschichte, nicht einfach Stadt gegen Berge gegeneinander ausspielen zu wollen, die eine zu verdammen, die andere zu verklären, sondern den Text ernst zu nehmen. Gerade in den frühen Szenen, in denen das harte, karge Leben auf der Alm geschildert wird, führt dies zu einem nicht uninteressanten Sozialrealismus, der aber immer wieder durch die majestätischen Bildern von Almwiesen und Bergen unterlaufen wird.
 
Besonders frappierend werden die Probleme des Tons, wenn die Geschichte für weite Teile der Lauflänge nach Frankfurt wechselt. Während etwa Hannelore Hoger, Katharina Schüttler und Peter Lohmeyer als Hausdiener Sebastian ihre Figuren mit deutlicher Ironie spielen, versucht Gsponer in seiner Regie einen Realismus zu bewahren, der bei der späteren Rückkehr auf die Alm nach hinten losgeht. So düster und freudlos wird das Leben in der Stadt geschildert, dass das Leben in den Bergen nur verklärt wirken kann. Auch wenn dies fraglos unbeabsichtigt ist, reproduziert diese neue „Heidi“-Version doch exakt die Muster, die den Stoff nicht zuletzt bei den Nationalsozialisten so beliebt gemacht hat. Diese Heile Natur-Ideologie scheint tief im Stoff verwurzelt und nur schwer zu begraben zu sein, gerade wenn man die Natur so bildgewaltig – und fraglos eindrucksvoll – filmt, wie es Alain Gsponer hier tut.
 
Michael Meyns