Here We Move Here We Groove

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Mit seiner Mischung aus traditioneller Folklore, volkstümlichen Klängen und modernen Club-Beats wurde Robert Šoko in den 90er-Jahren bekannt. Mit den „Balkan Beats“ kreierte er im Berlin der Nachwendezeit einen völlig neuen Sound, der sich über ganz Europa ausbreitete. Ein Europa, das heute von Flüchtlingswellen und der Diskussion um eine vielfältige Gesellschaft geprägt ist. All diese Aspekte bringt die raffinierte, emotional gewichtige Doku „Here we move, here we groove“ zusammen, die von großer Intimität durchzogen ist. Es geht um Multikulturalismus, Sinnsuche und die verbindende Kraft der Musik.

Website: www.riseandshine-cinema.de/portfolio/here-we-move-here-we-groove

Niederlande 2020
Regie: Sergej Kreso
Drehbuch: Sergej Kreso
Länge: 91 Minuten
Verleih: Rise and Shine Cinema
Kinostart: 07.10.2021

FILMKRITIK:

Er vermengt seit fast 30 Jahren Balkanmusik mit westlichen Einflüssen und transportiert auf diese Weise die Idee eines multikulturellen Europas in seiner Kunst: der DJ Robert Šoko. Als Teenager floh er vor dem Jugoslawienkrieg und landete in Berlin. Dort schlug er sich zunächst als Taxifahrer durch bevor er zur Musik fand – und mit seinen Balkanbeats-Partys bald über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde. Längst sind die „BalkanBeats“ ein eigenes Genre geworden, das viele internationale DJs geprägt hat. Die Dokumentation „Here we move, here we groove“ folgt Robert Šoko in seinem Alltag und beobachtet ihn bei einer Reise zurück in seine Vergangenheit.

Betont schlicht und unaufdringlich blickt Regisseur Sergej Kreso auf den Porträtierten, dem er sich mit großer Empathie und Interesse nähert. Šoko auf der anderen Seite hat keine Schwierigkeiten, sich dem Filmemacher zu öffnen und sein Inneres nach Außen zu kehren, was vor allem in einer ähnlichen Biografie begründet liegt. Denn wie Šoko stammt auch Kreso aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Sarajevo, und floh in den frühen 90er-Jahren nach Europa. Diese Verbindung und das Vertrauen zwischen den beiden Männern spürt man anhand der offenen, freimütigen Äußerungen Šokos.

Dieser schildert, wie ihm nach 25 Jahren in den Clubs und vielen Jahren als Produzent von Balkan Beats, die Motivation abhandengekommen sei. Ihm fehle die Lust, weiterhin immer dasselbe zu tun. Zuvor sah man den DJ bereits im Taxi durch Berlin fahren, wie er, unter anderem im Zwiegespräch mit seiner Mutter, über seine Zweifel sprach. Ein sympathischer, passender Verweis auf Šokos frühe Berliner Jahre, als er selbst noch hinter dem Taxi-Steuer saß. Weitere Rückblicke und Eindrücke aus den 90ern vergegenwärtigen Originalaufnahmen aus den Clubs der damaligen Zeit, in denen Šoko mit seinen elektronischen, pulsierenden Dance-Rhythmen und Balkan-Folklore-Sounds die Massen zum Tanzen brachte. Doch all dies langweilt den Protagonisten mittlerweile.

Diese (berufliche wie emotionale) Sackgasse, in der sich der Künstler befindet, stellt den Aufhänger für eine Reise zu Šokos Wurzeln dar. Zurück in die Heimat und an die Grenzen Europas sowie des Balkans, an denen Geflüchtete auf eine bessere Zukunft hoffen. „Immer wenn ich Inspiration suche, gehe ich zurück zu meinen Ursprüngen“, sagt Šoko an einer Stelle. Und auch diesmal wird er sie finden.

Und noch auf etwas anderes stößt er bei seiner Reise: auf all jene Sorgen und Hoffnungen der Menschen vor Ort (vor allem syrische und afghanische Flüchtlinge), die Šoko selbst nur zu gut kennt. Kreso ist mit seiner Kamera immer dicht bei ihm, wenn er ins Gespräch mit den Migranten kommt und die Hintergründe ihrer Flucht erfährt. Somit zeichnet Kreso gleichzeitig ein direktes, unverfälschtes Bild vom seelischen Gemütszustand und der schwierigen Situation der Flüchtlinge.

Wie förderlich und positiv sich die verschiedenen Kulturen und jene „Internationalität“ auf die Kreativität und das Gemeinschaftsgefühl auswirken können, zeigen die Bilder vom gemeinsamen Musizieren und der Zeit im Studio. Wir sehen Šoko, wir er gemeinsam mit Migranten, jungen Musikern und angehenden Künstlern unterschiedlichster Herkunft auflegt, experimentiert und Beats bastelt. Musik, die letztlich dem Wunsch nach Zugehörigkeit Ausdruck verleiht. Neue, frische musikalische Einflüsse für Šoko und alternative Wege für die jungen Menschen, sich künstlerisch auszudrücken und Grenzen zu überwinden.

Björn Schneider