Hugh Grant in einem gruseligen Spannungsstreifen, noch dazu als Bösewicht – das bekommt man nun wahrlich nicht alle Tage zu sehen. Den Briten verbindet man vor allem mit romantischen Komödien. In „Heretic“ zeigt er jedoch, dass er auch eine herrlich sinistre Seite hat. Seine Performance allein macht den Film sehenswert. Scott Beck und Bryan Woods, die Autoren und Regisseure hinter dem garstigen Kammerspiel, haben aber auch noch mehr in petto, um das Publikum bei Laune zu halten – oder in Unruhe zu versetzen.
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USA 2024
Regie: Scott Beck, Bryan Woods
Drehbuch: Scott Beck, Bryan Woods
Cast: Hugh Grant, Sophie Thatcher, Chloe East, Topher Grace, Elle Young, Julie Lynn Mortensen, Haylie Hansen u. a.
Länge: 111 Minuten
FSK: k. A.
Verleih/Vertrieb: Plaion Pictures/Studiocanal Deutschland
Kinostart: 26. Dezember 2024
Dass sich die beiden Filmemacher weiterentwickelt haben, spürt man deutlich. Besonders, wenn man „Heretic“ mit ihrem Slasher-Thriller „Halloween Haunt“ aus dem Jahr 2019 vergleicht. Beide Werke sind auf wenige Handlungsorte und ein überschaubares Figurenensemble begrenzt. Letzterer arbeitet allerdings, obschon recht effektiv, mit eher knalligen Schocktaktiken, während der neue Film einen aufregenden Spagat hinbekommt. Abermals, besonders im dritten Akt, zeigt sich das Duo reißerischen Horrorelementen keineswegs abgeneigt. Regelmäßig werden wir jedoch auch intellektuell etwas gefordert.
Worum es geht, ist schnell erklärt. Die mormonischen Missionarinnen Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) wollen bei Hausbesuchen ihren Glauben vorstellen und schauen auch bei einem gewissen Mr. Reed (Hugh Grant) vorbei, der vorab sein Interesse bekundet hat. Einziger Haken an der Sache: Laut den Regeln ihrer Gemeinschaft dürfen die beiden jungen Frauen nur dann eintreten, wenn sie nicht mit einem Mann allein sind. Und von einer Gattin fehlt jede Spur.
Sie bereite Blaubeerkuchen in der Küche zu, beruhigt Mr. Reed seine Gäste und schafft es so, sie in sein schummriges, altmodisch eingerichtetes Heim zu locken. Schnell nimmt das Gespräch über religiöse Ansichten einen für die Besucherinnen ungemütlichen Verlauf. Denn die Fragen Mr. Reeds werden von Minute zu Minute kritischer und provokanter. Als Barnes und Paxton erkennen, dass es keine Ehefrau gibt, wollen sie die Flucht ergreifen. Doch auf einmal ist die Vordertür verschlossen. Und natürlich haben die Handys keinen Empfang mehr. Der Gastgeber ruft sie schließlich in den hinteren Teil des Hauses, wo es angeblich noch einen Ausgang gibt.
„Heretic“ konzentriert sich ganz auf seine drei Hauptfiguren und sein angemessen stickiges, verwinkeltes Setting, das für die beiden Mormoninnen zu einem Gefängnis wird. Was genau Mr. Reed im Schilde führt, das bleibt erst einmal offen. Wohl aber auch deshalb macht sie ein handfestes Gefühl der Bedrohung breit. Zunächst wirkt der Mann mit seiner übergroßen Brille und seiner karierten Strickweste einfach etwas kauzig. Ohne zu wissen, wie ihnen geschieht, finden sich Barnes und Paxton aber schnell im Kreuzfeuer irritierender Anmerkungen wieder.
Scott Beck und Bryan Woods legen ihrem Antagonisten herrlich pointierte Sätze in den Mund und lassen ihn über spannende Dinge philosophieren: Was hoffen Menschen, im Glauben zu finden? Welche Gefahren liegen in bedingungsloser Gefolgschaft? Wie originell sind Religionen eigentlich? Und sind sie nicht vielleicht auch bloß Waren auf dem großen Markt der Möglichkeiten? In diesem Sinne wären Barnes und Paxton „nur“ Verkäuferinnen. Nicht von ungefähr unterhalten sie sich ganz am Anfang am Beispiel von Kondomen darüber, wie stark sich viele Leute doch von der Werbung beeinflussen ließen. Dass auch sie etwas feilbieten, anpreisen, im besten Licht präsentieren, scheint ihnen nicht wirklich in den Sinn zu kommen.
In den knackigen Dialogen und Monologen stellt der Film immer wieder interessante Verbindungen her, reißt Themen an, die man angesichts der Prämisse gar nicht auf dem Schirm hat. Geschickt werden manche Szenen zudem mit sarkastischem Humor aufgeladen, der einen indes nie laut losprusten lässt. Zügig stellt sich stets wieder die aus dem Dilemma der beiden Besucherinnen entspringende Beklemmung ein. Ebenso wie sie wissen wir nicht, was noch alles in dem merkwürdigen Haus wartet, von dem Mr. Reed eine Miniaturausgabe besitzt. Diese Idee ist vielleicht ein bisschen von Ari Asters „Hereditary - Das Vermächtnis“ abgekupfert. Den Regisseuren erlaubt sie an einer Stelle aber einen cleveren inszenatorischen Kniff.
Dass „Heretic“ funktioniert, liegt, wie eingangs schon erwähnt, nicht zuletzt an Hugh Grant. Auch wenn er ein Lächeln wie in seinen romantischen Komödien aufsetzt und ständig etwas spöttisch rüberkommt, geht von seinem Mr. Reed eine unheimliche Präsenz aus. Zwischen scharfsinniger Analyse, Ironie und Irrsinn schwankend, bildet seine Performance das Herzstück dieses wirkungsvollen Schauerthrillers. Zum Ende hin fällt der Film zwar etwas ab. Auf den letzten Metern beweist das Regieduo allerdings noch einmal, dass wir es hier nicht mit einem plumpen Spannungsstück zu tun haben. Diskutieren lässt sich über die finalen Bilder jedenfalls trefflich.
Christopher Diekhaus