Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen

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Fast jeder kennt Namen kühner Astronauten. Dass die Weltmacht USA ihren globalen Durchbruch beim Wettrennen ins All jedoch brillanten, afroamerikanischen Mathematikerinnen verdankt, weiß freilich kaum jemand. Trotz aller rassistischen und sexistischen Vorurteile gaben diese Pionierinnen nicht auf und setzten sich Anfang der 1960er Jahre in einer weißen und männerdominierten Gesellschaft bei der NASA durch. Einzigartig erzählt das Mut machende, temporeiche, historische Drama ihre außergewöhnliche Geschichte. Dabei agiert das sympathische afroamerikanische Frauentrio Taraji P. Henson, Oscar-Gewinnerin Octavia Spencer („The Help“) und Janelle Monáe („The Equalizer“) in der bislang unbekannten Episode der US-amerikanischen Raumfahrt hinreißend schlagfertig. Ein leidenschaftliches Plädoyer für eine gleichberechtigte Zukunft.

Webseite: www.hiddenfigures-derfilm.de

USA 2016
Regie: Theodore Melfi
Drehbuch: Allison Schroeder, Margot Lee Shetterly, Theodore Melfi
Darsteller: Octavia Spencer, Taraji P. Henson, Janelle Monáe, Kevin Costner, Mahershala Ali, Kirsten Dunst, Jim Parsons. Kimberly Quinn, Glenn Powell.
Kamera: Mandy Walker
Länge: 127 Minuten
Verleih: Twentieth Century Fox
Kinostart: 2. Februar 2017

FILMKRITIK:

„Der wurde gestern nicht geleert“. Ganz selbstverständlich drückt der weiße NASA-Ingenieur Paul Stafford (Jim Parsons) der afroamerikanischen Mathematikerin Katherine Johnson (Taraji P. Henson) den Papierkorb in die Hand. Dass eine Schwarze in diesen Räumen des NASA Langley Research Center in Hampton, Virginia, nichts anderes als Putzpersonal sein kann, ist für ihn klar. Die Arroganz der rassistischen Macht wirkt. Aber die allein erziehende Mutter lässt sich im täglichen Kampf um Anerkennung, Würde und Stolz nicht unterkriegen. Hypotenuse, Oktaeder und Eulersche Formel waren schließlich die Helden ihrer Kindheit. Eigentlich müsste der begnadeten wissenschaftlichen Überfliegerin die Welt der Mathematik zu Füßen liegen. 
 
Zunächst hat sie freilich schon Glück, dass Al Harrison (Kevin Costner), der Leiter der Space Task Group für die Errechnung der Flugbahnen der Raketen, sie tatsächlich in sein weißes Team holt. Grund: Die Amis stehen unter Druck. Denn die Russen haben im Weltraum-Wettlauf der Supermächte die Nase vorn. Und für den NASA-Manager zählt deshalb nur eines: vor den Sowjets, den Weltraum zu erobern. Zwar wirkt er mit seiner grauen Bürstenfrisur und seinem Faible für großspuriges Kaugummi-Kauen auf den ersten Blick wie der Archetyp des herrischen Macho-Chefs.
 
Aber sein Ehrgeiz und Pragmatismus machen ihn bald widerspenstig gegen hinderliche, erniedrigende Regeln und Ressentiments der menschenverachtenden US-amerikanischen Rassentrennung. Wenn dadurch wichtige Potentiale ungenutzt bleiben, rebelliert selbst er. Katherine ist jedoch beileibe nicht das einzige weibliche, afroamerikanische Mathe-As. Ihre beiden Freundinnen Dorothy Vaughn (Octavia Spencer) und Mary Jackson (Janelle Monáe) kämpfen sich mit ihr nach oben. Zusammen überwindet das pfiffige Trio Geschlechter- und Rassengrenzen. Der smarten, dynamischen Mary gelingt es sogar die erste weibliche NASA-Ingenieurin zu werden.
 
Und Dorothy, unterbezahlt und ausgebeutet, programmiert heimlich die neu installierten IBM Computer, noch bevor irgendjemand der männlich-weißen Crew überhaupt damit umgehen kann. „Seien sie froh, dass sie überhaupt einen Job haben“, versucht ihre weiße Vorgesetzte Vivian Mitchell (Kirsten Dunst) sie immer wieder in die Schranken zu verweisen. Trotzdem besteht Astronaut John Glenn (Glenn Powell), vor dem legendären Flug von „Friendship 7“ darauf, dass Katherine Johnson persönlich die Computerberechnungen der Umlaufbahn überprüft.
 
Auch wenn die Gräuel der Sechziger Jahre, in denen die Übergriffe auf die schwarze Bevölkerung ihren brutalen Höhepunkt erreichen, in dem historischen Gleichberechtigungsdrama eher eine Randnotiz bleiben, wird nichts beschönigt. Regisseur Theodore Melfis optimistische, geradlinige Inszenierung, nach dem gleichnamigen Sachbuch von Margot Lee Shetterly, missachtet die Abgründe rassistischer Gewalt keineswegs. Im Vordergrund seines spannenden Biopics steht jedoch die solidarische Freundschaft und Lebensfreude des talentierten, entwaffnenden Trios schwarzer Wissenschaftlerinnen, die sich mit Selbstbewusstsein, intelligentem Witz und Kampfeswillen nehmen, was ihnen zusteht.
 
Mit charakterstarker Besetzung, ungewöhnlichen Blickwinkel und beachtlich erzählerischem Sog geht dieses klassische Feel-Good-Drama Geschichte im opulenten Mad Men-Style der 60er Jahre auf Oscarkurs. Denn die Schauspielleistung dieses weiblichen Think Tanks, darunter Oscarpreisträgerin Octavia Spencer, überzeugt in jeder Minute. Zudem sind Heldinnen wie Katherine, Dorothy und Mary, selbst heute noch, längst überfällige Mut machende Identifikationsfiguren. Sie spornen Mädchen und Frauen an, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben und hartnäckig Hürden  zu überwinden. Schließlich galten Mathematik und Wissenschaft lange genug als Männerdomäne. Und immer noch bremsen Rollenklischees oft einen Wandel.
 
An der Seite von Whitney Houston brachte Kevin Costner einst als „Bodyguard“ reihenweise Frauenherzen zum Schmelzen. Inzwischen ist der gebürtige Kalifornier, der mit dem Indianerepos „Der mit dem Wolf tanzt“ zum Superstar avancierte, seltener auf der Kinoleinwand zu sehen. Als Darsteller kantiger Figuren, die sich aus Ehrgefühl oder Patriotismus für die gute Sache engagieren, liefert er hier wieder einen weiteren überzeugenden Auftritt. Last but not least, was wäre eine filmische Zeitreise in diese Ära ohne den unvergesslichen, unverwechselbaren Groove. Grammy-Preisträger Will Pharell´s Soundtrack macht zusammen mit Komponist Hans Zimmer, die musikalische Revolution des Motown-Sounds und seine innovative Kraft wieder lebendig. 
 
Luitgard Koch