Hitchcock

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Er heimste als wohl bekanntester Regisseur der Filmgeschichte die Lorbeeren ein, während sie stets still im Hintergrund blieb: Das war die Rollenverteilung beim Ehepaar Hitchcock. Dabei sagte Alfred selbst über Alma, sie sei sein wichtigster Mitarbeiter und für Schnitt, Drehbuch, Kindererziehung und Küche zuständig. „Hitchcock“ zeigt vordergründig die Entstehung von „Psycho“, entwickelt sich aber zu einem Ehe-Drama mit äußerst trockenem Humor. Anthony Hopkins und Helen Mirren dürften zu den Oscar-Kandidaten 2013 zählen.

Webseite: www.hitchcock-derfilm.de

Originaltitel: Hitchcock
USA 2012
Regie: Sasha Gervasi
Buch: John J. McLaughlin
Darsteller: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Toni Colette, Danny Huston, Jessica Biehl, Michael Stuhlbarg
Verleih: Fox
Kinostart: 7. Februar 2013

PRESSESTIMMEN:

"...überaus pointiert ...mit geistreichen Dialogen... Gerade wegen der exquisiten schauspielerischen Leistungen unterhält der spannende Film auch Zuschauer, die noch nie einen Film von Alfred Hitchcock gesehen haben."
STERN

FILMKRITIK:

Hollywood 1959: Nach der umjubelten Premiere von „Der unsichtbare Dritte“ steht Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) im Zenit seines Schaffens. Aber der alternde Regisseur fühlt sich eingeengt. Zwar hat er bei Paramount einen Vertrag, der ihm völlige kreative Freiheit zugesteht, aber natürlich erwartet das Studio einen weiteren Agenten-Film. Hitchcock will dagegen etwas Neues wagen und plant ein schmutziges B-Movie nach dem Roman „Psycho“, der auf den Taten des echten Serienmörders Ed Gein beruht. Der große Regisseur muss den Film selbst finanzieren und sein Haus dafür verpfänden. Das mächtige Hays-Office, das in Hollywood auf die Einhaltung „moralischer Codes“ achtet, ist vom Drehbuch angewidert und droht mit Zensur. Vor allem aber der unerwartete Widerstand seiner Frau Alma trifft Hitchcock. Ihre Ehe befindet sich in einer Krise. Rücksichtslos verfolgt Hitchcock sein neues Projekt, ohne auf die Bedürfnisse von Alma einzugehen. Die entwickelt mit dem Schriftsteller Whitfield Cook ein eigenes Projekt, eifersüchtig von ihrem Mann beobachtet.

Seit Jahren machte das Script zu „Hitchcock“ in Hollywood die Runde, ohne je wirklich weiterentwickelt zu werden. Erst mit Anthony Hopkins‘ Zusage und der Verpflichtung von Sasha Gervasi als Regisseur nahm das Projekt Gestalt an. Gervasi erscheint auf den ersten Blick als merkwürdige Wahl, schließlich gibt der Journalist hier sein Spielfilm-Debüt; vorher inszenierte er lediglich die Doku „Anvil!“ über eine Heavy-Metal-Band. Der Film wirkt aber alles andere als unsicher. Im Gegenteil: Von Beginn an etabliert Gervasi einen Ton, der sich geschickt Hitchcocks eigenen, trockenen Humor zu eigen macht. Und es gelingt ihm bewundernswert mühelos, mit vielen verschiedenen Aspekten zu jonglieren. „Hitchcock“ macht den Menschen hinter der Kunstfigur sichtbar, räumt seiner Frau ihren rechtmäßigen Platz in der Filmgeschichte frei und stellt nicht zuletzt die spannende Produktionsgeschichte von „Psycho“ nach.

Dabei dient dieser Film als Spiegel für die Psyche seines Regisseurs. Ein Kunstgriff, der zwar manchmal etwas weit hergeholt erscheint, aber alle Aspekte der Geschichte geschickt bindet. Hitchcock führt sogar imaginäre Gespräche mit dem Killer Ed Gein, der für seine eigenen dunklen Obsessionen steht. Mit seiner wachsenden Eifersucht steigen diese – sonst sorgsam in seinem Werk abgearbeitet – unkontrolliert an die Oberfläche. So interpretiert der Film sogar die berühmte Duschszene als Ventil von Hitchcocks eigenen Mordfantasien. Ganz eigentlich aber leidet der Master of Suspense so sehr unter Almas Liebesentzug, dass ihn sogar Fieber ans Bett fesselt – während seine Frau aus dem Handgelenk das Regiment am Set übernimmt. Ohne Alma, soviel macht der Film klar, gäbe es das Werk des Meisters nicht. Deshalb macht es auch Sinn, „Hitchcock“ vor allem als Porträt einer besonderen Ehe zu lesen. Es gibt hinreißende Wortgefechte, gleichzeitig zeigt der Film das Paar aber auch als rührendes, eingespieltes Team, bei dem Alma die Hosen anhat.

Helen Mirren spielt sie als selbstbewusste Frau, die sich über ihren Anteil an der Karriere ihres Mannes völlig im Klaren ist. Nicht hoch genug loben kann man Anthony Hopkins‘ Leistung. Die berühmte Silhouette des Meisterregisseurs steht für viele Menschen für das Kino selbst, aber Hopkins macht innerhalb von Minuten vergessen, dass er Hitchcock nicht wirklich ähnelt. Das liegt auch an einer genialen Maske, die zwar markante Merkmale nachstellt, Hopkins aber dennoch Raum zum Spielen lässt. Und mit seinen umwerfenden Dialogen bietet das Drehbuch beiden Darstellern eine große Bühne.

Für Film-Enthusiasten kommt die Produktionsgeschichte von „Psycho“ vielleicht sogar etwas zu kurz. Ob es wirklich Almas Idee war, die Dusch-Sequenz zu der Musik von Bernard Herrman zu schneiden, sei dahingestellt. Und die üppige Scarlett Johansson wirkt als ätherische Janet Leigh etwas unglücklich besetzt. Das tut aber dem Spaß keinen Abbruch, gleichsam hinter die Kulissen der Produktion eines der einflussreichsten Filme der Geschichte zu schauen.

Oliver Kaever

Hitchcock hat zu der Zeit, in der der Film spielt, zwar schon gelungene Filme hinter sich, sucht aber immer nach neuen Stoffen. Und weil er es ist, muss es etwas Besonderes sein. Viele Angebote lehnt er deshalb ab. Seine Frau Alma Reville steht ihm bei. Sie versteht vom Filmemachen eine ganze Menge, war früher sogar Hitchcocks Chefin.

Wie wäre es mit einem Film über einen bekannten Serienmörder? Der Titel: „Psycho“. Paramount lehnt ab. Warum? Erfolgsaussichten: keine. Aber „Hitch“, wie er genannt wird, hat längst beschlossen, dass er dieses Buch verfilmen will. Dieses Mal ist nicht einmal Alma so ganz auf seiner Seite.

Nach Verhandlungen mit Paramount kommt immerhin soviel heraus, dass die Firma bereit ist, den Film in den Verleih zu nehmen – aber nicht zu finanzieren. Hitchcock muss das Geld selbst auftreiben. Er riskiert es, riskiert damit sein Haus. Wird der Film ein Flop, stehen Alma und er auf der Straße.

Grace Kelly wäre gut als die unter der Dusche ermordete junge Frau. Doch die ist bereits Prinzessin. Also muss weiter gesucht werden. Die Wahl fällt auf die schöne Janet Leigh. Auch der männliche Hauptdarsteller wird mit Anthony Perkins gefunden.

Schöne junge Blonde verachtet Hitch keineswegs. Das Verhältnis zu Alma profitiert davon nicht gerade. Also muss auch sie sich zumindest eine intellektuelle Beschäftigung suchen. Doch der Mann, den sie dazu ausgewählt hat, enttäuscht sie.

„Psycho“ ist abgedreht. Einfach war es nicht, denn die Zensur wollte mitreden: keine Messerstiche, keine Nacktszenen usw. Der fertige Film droht eine Pleite zu werden, denn Paramount will ihn lediglich in zwei Kinos vorführen. Da raffen sich Alma und Hitchcock noch einmal auf und liefern einen final cut, der es in sich hat.

Wird das Publikum mitmachen? Es wird, und wie! „Psycho“ ist ein Schlager. Auch heute noch, obwohl der Film vor Jahrzehnten gedreht wurde. Hitchcock machte danach weiter, hatte aber nie wieder einen solchen Erfolg.

Eine glänzende Idee, die Sache mit der Drehzeit von „Psycho“. Der Film ist perfekt dramatisiert, und die Schauspieler befinden sich alle in Oscar-Nähe. Anthony Hopkins, der den Hitch spielt, ist so gut, dass man ihn einst mit dieser Rolle
identifizieren dürfte wie Charlton Heston mit der Rolle des Ben Hur, wie Peter Ustinov mit der Rolle des Nero in „Quo vadis?“, wie Liz Taylor mit der Rolle der Cleopatra, wie Charles Laughton mit der Rolle des Glöckners von Notre Dame oder Ben Kinghley mit der Rolle des Gandhi.(Es gibt noch einige solcher Beispiele.)

Aber Helen Mirren als Alma ist ebenso gut, und das gilt schließlich auch für Scarlett Johansson als Janet Leigh.

Ein Filmgenuss allerersten Ranges.

Thomas Engel