Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt

Zum Vergrößern klicken

Thomas Sieben hat Mut! Nicht nur wagt sich der Filmemacher an das in Deutschland eher selten bespielte Horrorgenre heran. Seine neue Regiearbeit „Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ ist auch noch ein kniffliges formales Experiment. Wie Kollege Sebastian Schipper im elektrisierenden Crime-Thriller „Victoria“ (2015) legt Sieben einen Film vor, der in einer einzigen Einstellung gedreht ist, also ohne Schnitte auskommt. Eine gute Planung und eindringliche Schauspielleistungen sind in einem solchen Fall das A und O.

Webseite: https://constantin.film/kino/home-sweet-home/

Regie: Thomas Sieben
Drehbuch: Thomas Sieben
Darsteller: Nilam Farooq, Justus von Dohnányi, David Kross, Olga von Luckwald, Anton Fatoni Schneider, Sven Habermann u.a.
Länge: 83 Minuten

FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Constantin Film Verleih
Kinostart: 25.01.2024

FILMKRITIK:

„Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ ist einer dieser Gruselstreifen, die dazu verleiten, einen Strichliste mit Klischees und Standardsituationen zu führen. Vieles, was der gemeine Horrorliebhaber kennt, kommt auch hier zum Einsatz. Natürlich ist die hochschwangere Protagonistin Maria (Nilam Farooq) ganz allein auf dem Weg in die Pampa. Dass die Entbindung vor der Tür steht? Kein Problem! Zumindest in der Welt eines Schauerfilms.

Während ihr Verlobter Viktor (David Kross) noch wichtige berufliche Dinge erledigt, sucht Maria das entlegene Landhaus seiner Familie auf, das dem Paar und seinem Kind als neues Nest dienen soll. Marias Pläne, dort auch eine Bed-and-Breakfast-Unterkunft anzubieten, trägt ihr Liebster zwar mit. In einem ihrer Telefonate klingt aber durch, dass Viktor das Ganze eher als Spielerei betrachtet. Seiner Meinung nach müsste Maria sich so etwas eigentlich nicht antun. Die Herablassung, die schon zu Beginn aus seinen Kommentaren spricht, ist typisch für Horrorfilme mit schwangeren Frauen im Mittelpunkt. Man denke nur an den Klassiker „Rosemaries Baby“ (1968), der Mia Farrow als von ihrem Gatten manipulierte werdende Mutter zeigt.

Nicht verzichten mag der auch für das Drehbuch verantwortliche Regisseur auf die Figur des kauzigen Nachbarn (Anton Fatoni Schneider), der Maria bei ihrer Ankunft mit einigen seltsamen Bemerkungen irritiert. Hat sie die Begegnung überstanden, will sie es sich im Haus bequem machen. Doch weit gefehlt! Denn plötzlich geht das Licht aus, und der Spuk nimmt seinen Lauf. Ein umherhuschender Schatten und ein versteckter Kellerraum, der ein dunkles Geheimnis birgt, setzen Maria zu. Panik erfasst sie aber auch, weil sie auf einmal Schmerzen im Unterleib verspürt. Glücklicherweise ist Viktors Vater Wilhelm (Justus von Dohnányi) Arzt und setzt sich in den Wagen, um ihr beizustehen.

Die Hintergründe für Marias Albtraum werden schon verhältnismäßig früh preisgegeben. Näher darauf eingehen wollen wir an dieser Stelle jedoch nicht. Nur so viel: Thomas Sieben nimmt sich ein blutiges Kapitel der deutschen Geschichte vor, das filmisch bislang nur selten angegangen wurde, und verknüpft es mit familiärer Schuld und der Frage, wie sich diese weiter fortpflanzt. Ein spannender Gedanke, den „Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt“ dann allerdings verstolpert. Zu engmaschig ist das Konzept des schnittlosen Drehs, als dass es wirklich in die Tiefe gehen könnte. Hier und da, etwa über eine sich live vor der Kamera und Marias Augen abspielende Rückblende (ein logistischer Kraftakt!), versucht der Regisseur, ein Gefühl für die historischen Umstände, den damit verbundenen Schmerz zu vermitteln. Am Ende sind die Ursprünge des Grauens aber nicht viel mehr als ein austauschbarer Aufhänger.

Genreklischees werden munter bedient, Schockmomente geraten mäßig aufregend, und erzählerisch kratzt der Horrorthriller bloß an der Oberfläche. Das alles klingt ernüchternd. Zur Wahrheit gehört jedoch, dass die Inszenierung, das Filmen in einer einzigen, langen Einstellung und das erfreulich natürliche Spiel Nilam Farooqs dem Geschehen phasenweise die nötige Intensität verleihen. In Echtzeit verfolgen wir, wie sich für Maria Merkwürdigkeiten zu einem Albtraum verdichten. Verzweifelt bemüht sie sich, die Kontrolle zu behalten. Psychisch und körperlich kommt sie allerdings zunehmend an ihre Grenzen. Fast durchgehend bleibt die Kamera an der Seite der Hauptdarstellerin, die Panik und Überlebenswillen überzeugend transportiert und das Publikum damit bei der Stange halten kann. Deutlich wird Farooqs starke Leistung nicht zuletzt im Vergleich mit der Performance von David Kross. Anders als sie hat er irgendwann nämlich Schwierigkeiten, die Emotionen seiner Figur glaubhaft rüberzubringen.

 

Christopher Diekhaus