Homo Communis – Wir für alle

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Das Modell Kommune schien nach den Erfahrungen der 68er Generation eher diskreditiert, doch angesichts der Entwicklungen moderner Gesellschaften wird es wieder populärer. Welche Möglichkeiten sich durch abseits von staatlichen Strukturen privat organisierte Institutionen ergeben, deutet Carmen Eckhardt in ihrer Dokumentation „Homo Communis - wir für alle“ an.

Website: https://mindjazz-pictures.de/filme/homo-communis/

Dokumentation
Deutschland 2020
Regie: Carmen Eckhardt
Länge: 97 Minuten
Verleih: Mindjazz pictures
Kinostart: 18. Februar 2021

FILMKRITIK:

Nicht nur bei Klimawandel und Flüchtlingskrise kommen immer mehr Menschen zum Urteil, dass der Staat den Problemen der Gegenwart nichts mehr entgegenzusetzen hat – vielleicht auch gar nicht will. Sind die Strukturen von Politik und Wirtschaft zu zäh, um auf Themen zu reagieren, die viele Menschen als essentiell wahrnehmen? Was macht man, wenn man das Gefühl hat, dass der Staat nicht reagiert, dass sich die Politik in endlosen Debatten verstrickt, an deren Ende Kompromisse stehen, die keine wirkliche Lösung versprechen?

Die Dinge selbst in die Hand nehmen, sich von den Strukturen der kapitalistisch geprägten Gesellschaft lösen? Ein hehres Ziel, das angesichts der Verflechtung sämtlicher gesellschaftlicher Sphären auch leichter gesagt als umgesetzt ist. Dementsprechend unterschiedlich und vielseitig – in Zielen wie Ansprüchen – sind die Organisationen und Projekte, die Carmen Eckhardt in ihrer lose strukturierten Dokumentation „Homo Communis – wir für alle“ vorstellt.

Meist in Deutschland hat die Regisseurin gefilmt, den Anfang ihres Films macht jedoch ein Projekt in Venezuela, dass seit Ende der 60er Jahre besteht. Cecosesolo heißt das Projekt im Bundesstaat Lara, das 1967 gegründet wurde und ein Verbund solidarischer Genossenschaften ist. Der Schwerpunkt liegt im Anbau von Lebensmitteln und der Gesundheitsversorgung, aber auch ein Beerdigungsinstitut ist Teil der Organisation. Über 20.000 Mitglieder hat der Verbund inzwischen und setzt mit seinen Produkten gut 100 Millionen Dollar um.

Viel kleiner sind dagegen private landwirtschaftliche Initiativen in Deutschland, die vorgestellt werden, Lernbauernhöfe, auf denen Kinder lernen, dass Milch nicht aus dem Supermarkt kommt, sondern aus einer Kuh, in der Selbstversorgung und Abkopplung vom Markt gelebt wird.

Für eine gewisse Zeit, die durch die Corona-Pandemie zumindest unterbrochen wurde, bekamen auch andere Initiativen mehr Aufmerksamkeit, die Organisation Ende Gelände etwa, die auch durch die Besuche von Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg und Carola Rackete eine mediale Präsenz hatte, die ihrem Anliegen entsprach: Dem Klimaschutz. Eine kritische Einordnung der Protestformen des Bündnisses erfolgt zumindest in dieser Dokumentation allerdings nicht, Eckhardt beschränkt sich darauf, die Aktionen zu zeigen und sie als Beispiele für gemeinsames Handeln anzudeuten.
Einen umfassenden Blick auf das Thema kann und will Carmen Eckhardt ohnehin nicht werfen, viel zu viele Projekte und Ansätze gäbe es zu beschreiben, auch über Deutschland und Venezuela hinaus. Vor allem als Ausgangspunkt an die Vorführung angeschlossene Diskussionen bietet sich „Homo Communis-wir für alle“ an, als Denkanstoß und Ideengeber.

Michael Meyns