Hope

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Schwedens übercooler Schauspiel-Star Stellan Skarsgård gibt den unterkühlten Künstler, dessen Partnerin kurz vor Weihnachten die fatale Diagnose bekommt: Hirntumor, unheilbar. Das Drama erzählt weniger eine gängige Krankheitsgeschichte, vielmehr wird der Krebs zum Katalysator, sich über die gerne verdrängten Probleme der langjährige Beziehung Gedanken zu machen. Die Krise als Chance: nicht umsonst dieser Titel! Auf der Berlinale gab es dafür den 3. Platz beim Panorama Publikumspreis, Schweden hofft mit „Hope“ auf einen Oscar. Der wie immer grandiose Stellan Skarsgård hat allemal jeden Preis verdient.

Website: arsenalfilm.de

Norwegen, Schweden 2019
Regie: Maria Sødahl
Darsteller: Andrea Bræin Hovig, Stellan Skarsgård, Elli Müller Osborne
Filmlänge: 123 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 25.11.2021

AUSZEICHNUNG: Berlinale 2020 Label Europa Cinemas

FILMKRITIK:

„Nach einer wahren Geschichte“ verheißt der Vorspann. Tatsächlich ist es die Geschichte der Regisseurin und Autorin selbst. Die Norwegerin Maria Sødahl erzählt von ihrer Krankheit sowie dem Umgang mit der fatalen Diagnose. Und sie berichtet autobiografisch von Szenen einer Ehe mit dem Filmemacher Hans Petter Moland („Erlösung“). Im Film wird aus dem Paar die Choreografin Anja Richter (Andrea Bræin Hovig) und der Theaterregisseur Tomas (Stellan Skarsgård). Eine Heirat hat sich nie ergeben, die Familie besteht aus einer gemeinsamen Tochter im Teenageralter, zwei kleinen Söhne sowie drei erwachsenen Kinder aus einer vorigen Beziehung des Mannes.

Einen Tag vor Weihnachten bekommt Anja völlig überraschend die schreckliche Diagnose: Gehirntumor, der unheilbar ist. Den Lungenkrebs hatte die Künstlerin im Jahr zuvor besiegt geglaubt, nun sorgen Metastasen für den neuen Schicksalsschlag. „Ich habe es immer gefühlt“, sagt sie ihrem Partner, der so schockiert ist, das er nicht mehr weiß, wo er vor dem Krankenhaus geparkt hat. Den Kindern will die Mutter die schrecklichen Neuigkeiten verschweigen, schließlich ist Weihnachten. „Du musst mich nicht lieben, weil ich sterbe. Aber ich muss wissen, ob du mir hilfst“, fordert sie von Tomas. Dies ist erst der Anfang einer ebenso langen wie unerbittlichen Reflektion über die langjährige Beziehung des Paares, bei der vieles offenkundig verdrängt und verschwiegen wurde.

Elf Tage begleitet das intime Drama die Heldin von der ersten Diagnose bis zur möglichen, lebensrettenden Operation. Voll gepumpt mit Medikamenten, verliert Anja bisweilen die Orientierung. Dass während der Feiertage jene dringend benötigten Fachärzte nicht verfügbar scheinen, sorgt für eine schier kafkaeske Stimmung. Vor allem aber macht der Choreografin zu schaffen, dass sie sich ihrer Beziehung zu Tomas so unsicher ist wie nie zuvor. „Wir haben nicht das gleiche Leben gelebt“, zieht sie die bittere Bilanz. Später plagen sie Zweifel an der Treue des Partners. Als Tomas vorschlägt, an Neujahr die Heirat nachzuholen, reagiert Anja zunächst irritiert. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, auch was das Potenzial dieser scheinbar zerrütteten Beziehung betrifft. „Ich wusste nicht, dass du existierst“, wird die neue Bilanz von Anja klingen.

Regisseurin Maria Sødahl weiß, wovon sie erzählt. Schließlich handelt es ich um ihre eigene Geschichte, diese Wahrhaftigkeit ist in jeder Szene und jedem Dialog spürbar und sie verleiht dem Drama eine ganz besondere Komponente. Formal setzt sie bei der Inszenierung auf bewusste Schlichtheit, fast fühlt man sich wie in einem „Dogma 95“-Film: Keine Ausleuchtung. Keine Kulissen. Kein Soundtrack, der auf die Tränendrüsen drückt. Stattdessen die klare Reduktion auf das Wesentliche. Sei es bei den rigorosen Reflektionen des Paares über ihre langjährige Beziehung. Oder bei jener Professionalität des medizinischen Betriebs, bei dessen Räderwerk bisweilen die Empathie für die Patienten verloren geht.

Mit der Norwegerin Andrea Bræin Hovig und dem Schweden Stellan Skarsgård gerät die Besetzung zum Glücksfall. Beide Figuren sind nicht unbedingt die ganz großen Sympathieträger. Die chronische Gereiztheit, die vielfachen Vorwürfen, die melancholische Grundstimmung machen den Zugang nicht gerade einfach. Doch dem Schauspiel-Duo gelingt es mit meisterhaftem Facettenreichtum und großer Glaubwürdigkeit, das Publikum auf dieser existenziellen Reise mitzunehmen. Gewiss kein Feelgood-Movie, aber ein ambitioniertes Arthaus-Drama der nachhaltigen Art, das sich lohnt - nicht nur wegen Stellan Skarsgård.

Dieter Oßwald

 


 

Der perfekt durchorganisierte, sorgenfreie Alltag einer Familie droht nach einer schockierenden Tumor-Diagnose zusammenzubrechen. Kann die Familie, die sich in den Jahren zuvor entfremdet hat, wieder näher zusammenrücken? Was macht die Nachricht mit dem Umfeld und den Beziehungen untereinander? Und wie erkennt man in einer Extremsituation, was im Leben wirklich zählt? All diesen und noch weiteren Fragen widmet sich die norwegische Filmemacherin Maria Sødahl in ihrem schonungslosen, einfühlsam gespielten, allerdings etwa zu langatmig geratenen Familien-Drama.

Für Anja (Andrea Bræin Hovig) und ihren zwanzig Jahre älteren Mann Tomas (Stellan Skarsgård) bricht eine Welt zusammen, als man bei der Mittvierzigerin im Rahmen einer MRT-Untersuchung einen Hirntumor diagnostiziert. Plötzlich ist Anja mit Themen wie Tod, Vergänglichkeit und Verlust konfrontiert. Das Tragische: Vor einem Jahr musste sie sich bereits wegen Lungenkrebs in Behandlung begeben. Der Krebs konnte damals erfolgreich therapiert werden. Nun stehen die Beiden aber vor einer doppelten Herausforderung: Sie selbst müssen die tragische Nachricht verarbeiten und sie darüber hinaus den Kindern sowie Freunden schonend beibringen.

Hoffnung – dies ist nicht nur der Titel des neuen Films von Maria Sødahl, die hier ihre eigene Krebserkrankung künstlerisch verarbeitet. Es ist ebenso jene innere Ausrichtung und Sichtweise aller Beteiligten, die ihnen Kraft zum Kämpfen und Weitermachen gibt. Allen voran der von Andrea Bræin Hovig elektrisierend, intensiv gespielten Hauptfigur. Denn Hoffnung besteht in Form einer Operation, der sich Anja am Tag nach Silvester unterziehen muss.

Jener möglicherweise lebensrettende Eingriff bildet den inhaltlichen roten Faden und die dramaturgische Antriebsfeder der skandinavischen Ko-Produktion, die auf dem Toronto Filmfest im Herbst 2019 internationale Premiere feierte. Die Handlung von „Hoffnung“, der zahlreiche dokumentarische Wackelaufnahmen enthält, erstreckt sich lediglich über sieben Tage: von Weihnachten, als Anja die schreckliche Diagnose erhält, bis zur OP an Neujahr. Sødahl macht aus „Hoffnung“ aber weniger ein Krebs- bzw. Krankheits-Drama, auch wenn sie u.a. die Nebenwirkungen der Medikamente sowie Anjas heftige Stimmungsschwankungen thematisiert.
„Hoffnung“ ist letztlich vielmehr ein Familien- und Beziehungs-Drama, das aufzeigt, wie sich eine solche schlimme Diagnose auf das interfamiläre Zusammenleben sowie das Verhältnis aller Beteiligten untereinander auswirkt. Und was es mit der Beziehung zu Tomas macht, die klar im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Stellan Skarsgård agiert stoisch und introvertiert wie gewohnt, aber man nimmt ihm den verzweifelten, niedergeschlagenen Ehemann jederzeit ab. Er harmoniert sehr gut mit Hovig, nicht zuletzt in den ruhigen und intimen Szenen, von denen eine herausragt: Während einer sehr leidenschaftlichen Liebesnacht überschlagen sich die Gefühle, Eindrücke und Empfindungen von Anja – bis diese einen drastischen, auch für den Zuschauer unerwartet einsetzenden emotionalen Anfall erleidet.

Je länger der Film dauert (er ist mit über 120 Minuten etwas zu lang geraten) und je häufiger und intensiver Anja und Tomas miteinander kommunizieren, desto mehr erfährt der Zuschauer über deren Vergangenheit. Und: Über die großen Krisen ihrer (längst erkalteten) Beziehung. In einer Szene hält Anja ihrem Mann vor, dass sie sich für ihn und die Kinder aufgeopfert habe, während dieser erfolgreich Karriere machen konnte. Dann spricht sie ihn auf einen Fremdflirt an, den Tomas mit einer anderen Frau hatte. In all diesen bewegenden, stark gespielten Momenten bricht sich die Enttäuschung, Trauer und natürlich die Todesangst einer Frau Bahn, die jahrelang zurücksteckte und verzichtete.

Doch „Hoffnung“ ist nicht gänzlich frei von Schwächen. Hier und da inszeniert Sødahl zu kalkuliert und abgeklärt. Gerade im Mittelteil sind einige Ereignisse zu vorhersehbar und berechnend, um überraschen zu können. Ganz und gar unvorhersehbar ist das Ende, dem jedoch eine viel zu lange, ausladende und etwas seicht geratene Trauungs-Sequenz vorausgeht, die dem Film in Sachen Gesamtwirkung so kurz vor Schluss keinen Gefallen tut.

Björn Schneider