Horror Noire – A History of Black Horror

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Dokumentation über die Stellung der Black Community im Horrorgenre. Filmschaffende wie Jordan Peele („Get Out“), Tony Todd („Candyman“) und Meosha Bean („6th Floor“) nehmen das Publikum mit auf einen Streifzug durch das US-amerikanische Horrorkino und stellen seine Entwicklung in den Kontext zum gesellschaftspolitischen Positionswandel afroamerikanischer Kultur in den USA.

Website: https://dropoutcinema.org/

USA 2019
Regie: Xavier Burgin
Drehbuch: Ashlee Blackwell, Danielle Burrows
Darsteller: Jordan Peele, Tony Todd, Meosha Been, Ashlee Blackwell, Keith David, Loretta Devine, Ricard Lawson, Paula Jai Parker
Verleih: Drop-Out Cinema
Länge 82 Min.
Start: 15. 10. 2020

FILMKRITIK:

Als Jordan Peele bei der Oscar-Verleihung 2018 den Academy Award für das Beste Original-Drehbuch gewann, war er der erste afroamerikanische Autor, dem dieses Kunststück gelungen war. Das muss man sich einmal vorstellen: Bis dato wurden bereits 89 goldene Statuen in dieser Kategorie vergeben – und alle Preisträger waren weiß (über die Frauenquote reden wir sicher irgendwann nochmal an anderer Stelle). Nun ist es nicht so, dass es nicht schon vor dem Gewinner-Skript zu „Get Out“ prägnante Horrorfilme mit afroamerikanischen Schauspielern respektive für die Black Community gegeben hätte – wir erinnern da nur an die Horrorikone Candyman (das Remake zum Neunzigerjahre-Kult steht bereits in den Startlöchern), „Tales from the Hood“ oder „Die Nacht der lebenden Toten“, in der George A. Romero Duane Jones als ersten afroamerikanischen Hauptdarsteller in einem Horrorfilm besetzte. Trotzdem spülte die Kombination aus „Erstem schwarzen Drehbuch-Preisträger“ und „Get Out“ – einem Film über die immerwährenden Konflikte zwischen Weißen und Schwarzen, kurz: Rassismus – dem Publikum die Existenz des „Black (Horror-)Cinema“ ein weiteres Mal in die direkte Wahrnehmungsebene. Und Jordan Peele ließ daraufhin „Wir“ folgen.

Es ist also sehr naheliegend, eine Dokumentation über das Horrorkino der Black Community mit „Get Out“ zu beginnen; der rund 80-minütige Film basiert zwar auf Robin R. Means Colemans gleichnamigem Buch, das bereits 2011 und damit einige Jahre vor „Get Out“ erschien. Doch die Lektüre trägt ja nicht umsonst den Untertitel „Blacks in American Horror Films from the 1890s to Present“ – will man über das „Present“ sprechen, kommt man an Jordan Peele und seinen Werken nicht vorbei.

Doch der Einstieg – es ist die berühmte Szene, in der LaKeith Stanfield durch eine suburbane Villengegend schleicht und kurz darauf von einem Maskierten gekidnappt wird – dient nur als Appetizer; „Get Out“ ist danach erst einmal gar nicht Thema. Stattdessen ist „Horror Noire: A History of Black Horror“ wie ein Streifzug aufgebaut. Chronologisch hangeln sich die Interviewpartner von Regisseur Xavier Burgin („On Time“) an einprägsamen Beiträgen der Horrorgeschichte entlang (immer mit Originalausschnitten der Filme unterlegt – das dürften sich die Macher einiges haben kosten lassen!) und stellen sie in den Kontext der Geschichte der Afroamerikaner in den USA. Mal ist das eine Leidensgeschichte; das Horrorkino hat sich schon immer an gesellschaftspolitischen Themen abgearbeitet. Gerade das Siebzigerjahre-Terrorkino war eine einzige Aufbereitung traumatischer Erfahrungen im Vietnamkrieg. Da macht die Historie der Black Community in den Vereinigten Staaten keine Ausnahme. Und so geht es um die Abarbeitung an Themen wie Sklaverei und systematische Unterdrückung als Horrormotiv, aber auch darum, wie die Geldgeber der Filmstudios schon früh gelernt haben, sich auf ihre eigene Art und Weise mit der Black Community auseinanderzusetzen. Es ist zum Beispiel kein Zufall, dass einige Visagen berühmter Horrorfilmmonster an entsetzliche Karikaturen von Afroamerikanern erinnern.

Aber das schwarze Horrorkino ist natürlich nicht nur Leidensgeschichte! Im Gegenteil. Jordan Peele, Tony Todd, Meosha Been, Ashlee Blackwell, Keith David und viele, viele weitere Interviewpartnerinnen und -Partner (in „Horror Noire“ kommen ausschließlich Schwarze zu Wort) arbeiten aus Genrewerken wie „Tales from the Hood“ immer auch die Quintessenzen afroamerikanischer Rebellion heraus. Und diese finden sich übrigens nicht bloß in so offensichtlichen Kandidaten wie etwa „Get Out“, sondern auch in Kultfilmen wie „Poltergeist“ wieder – „Horror Noire“ dürfte selbst eingefleischten Genreliebhabern noch Neues erzählen können.

Antje Wessels