How to blow up a pipeline

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Gewalt ist keine Lösung! Oder doch? Was tun im Angesichts der Klimakatastrophe? Nur friedlich demonstrieren? Oder vielleicht doch etwas in die Luft jagen? Diese Fragen stellen sich vermutlich gerade Vertreter der „Last Generation“ oder der radikaleren Elementen von „Fridays for Future“, ihnen und allen anderen muss man Daniel Goldhabers offen agitatorischen Film „How to blow up a pipeline“ ans Herz legen, der es wagt, anarchistisch zu denken – und dabei doch nicht dumm ist.

USA 2022
Regie: Daniel Goldhaber
Buch: Ariela Barer & Jordan Sjol & Daniel Goldhaber, nach dem Buch von Andreas Malm
Darsteller: Ariela Barer, Kristine Froseth, Lukas Gage, Forrest Goodluck, Sasha Lane, Jayme Lawson, Marcus Scribner, Jake Weary,

Länge: 104 Minuten
Verleih: fugu
Kinostart: 8. Juni 2023

FILMKRITIK:

Als die Klimaaktivistin Luisa Neubauer vor einigen Monaten in einem Video davon sprach, dass man „daran denke, eine Pipeline zu sprengen“ war die reflexhafte Aufregung natürlich groß. Ebenso natürlich ruderte Neubauer zurück und behauptete, es habe sich nur um einen Spaß gehandelt. Zitiert hatte sie mit ihrem Satz den schwedischen Wissenschaftlers Andreas Malm, der in seinem Buch „How to blow up a pipeline“ argumentiert hatte, dass Sabotageakte der logische Schritt einer Protestbewegung sind, die mit zivilen, zivilisierten Methoden nicht mehr weiterkommt.

Aus diesem Buch hat ein Kollektiv um den Regisseur Daniel Goldhaber nun einen Film gedreht, der zeigt, was vielleicht in ein paar Jahren Realität werden könnte. Irgendwo in Texas findet sich eine scheinbar disparate Gruppe von Menschen um die 30 zusammen, die sich offenbar online kennengelernt haben und eine Mission haben: Ein Anschlag auf eine quer durchs Land laufende Ölpipeline mit dem Ziel, die Märkte in Panik zu versetzen und einen gesellschaftlichen Wandel anzustoßen.

Nach und nach deuten Rückblenden an, was die Beweggründe waren, um sich einer Bewegung anzuschließen, die man im Deutschland der 70er Jahre vielleicht „der bewaffnete Kampf“ genannt hätte. Theo (Sasha Lane) etwa leidet an Leukämie, die vermutlich durch Abgase der Öl-Raffinerie ausgelöst wurde, in deren Schatten sie aufwuchs. Der Texaner Dwayne (Jack Weary) wiederum soll enteignet werden, um Platz für den Bau einer Pipeline zu schaffen, der Native American Michael (Forrest Goodluck) fühlt sich grundsätzlich von der weißen Mehrheitsgesellschaft unterdrückt, während das Paar Rowan (Kristine Froseth) und Logan (Lukas Gage) eine ganz eigene Agenda zu verfolgen scheint, die sich erst nach und nach offenbart. Sie alle finden sich in einer abgelegenen Hütte zusammen, wo nach einer Anleitung, die offenbar Online gefunden wurde, Bomben gebaut werden.

Fast dokumentarisch mutet es an, wie die Biographien der Protagonisten und die Vorbereitungen des Anschlages gezeigt werden, mitreißend spannend jedoch wird es, wenn die Bomben gelegt werden. Ein Spiel mit dem Feuer ist das, ein kokettieren mit moralisch mindestens problematischem Verhalten, das angesichts einer gesellschaftlichen Extremsituation dennoch leicht als vertretbar, um nicht zu sagen notwendig erscheinen mag. In den besten Momenten erinnert „How to blow up a Pipeline“ dann auch an mit anarchistischen Motiven kokettierenden französischen Filmen wie Bertrand Bonellos „Nocturama“ oder Romain Gavras „Euer Tag wird kommen“ und „Athena.“ Eine Haltung, wie sie im deutschen Kino kaum möglich wäre, wie etwa in Julia von Heinz „Und Morgen die ganze Welt“ deutlich wurde, der es nicht wagte seinen Ansatz zum konsequenten Ende durchzuspielen und sich statt dessen zunehmend in bürgerliche Moralvorstellungen zurückzog.

Anders Daniel Goldhabers Film, der bisweilen ans agitatorische Kino der 60er Jahre erinnert und es wagt, seinen anarchistischen Ansatz bis zum Ende durchzuspielen. Dass er Gewalt, dass er Sabotage zumindest als Möglichkeit in den Raum stellt macht ihn ebenso gewagt wie fragwürdig, in jedem Fall aber zu einem spannenden Denkansatz, über den angesichts der drohenden Klimakatastrophe diskutiert werden sollte.

 

Michael Meyns