How To Change The World

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Anno 1971 war die Zeit für einen Verein wie „Greenpeace“ reif, der mit dem „grünen Frieden“ die Umwelt- und Friedensbewegung unter einem Dach vereinen konnte. In seinem Dokumentarfilm „How To Change The World“ porträtiert Regisseur Jerry Rothwell die frühe Geschichte der Non-Profit-Organisation anhand von vielen Archivaufnahmen und Interviews mit Gründungsmitgliedern wie Bob Hunter oder Paul Watson. Der Filmemacher ist dabei nicht gerade um kritische Distanz bemüht, liefert aber eine spannend erzählte Dokumentation, die beim Filmfestival von Sundance den Spezialpreis der Jury für den besten Schnitt erhielt.

Webseite: www.howtochangetheworld-derfilm.de

OT: How To Change The World
Kanada, Großbritannien 2015
Regie: Jerry Rothwell
Mitwirkende: Bob Hunter, David Garrick, Paul Watson, Emily Hunter, Myron MacDonald, Will Jackson
Länge: 110 Min.
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 10.09.2015
 

Pressestimmen:

"Packendes Tatsachenkino." Stern

"...packend, humorvoll und in großartigen Bildern. ...Beeindruckende Aufnahmen aus den Greenpeace-Archiven erzählen eine Erfolgsstory: Wie aus Hippies aus Vancouver eine Weltorganisation wurde, die sich erfolgreich mit Großmächten und Konzernen anlegt."
ZDF Heute Journal

FILMKRITIK:

Mitte der 1970er-Jahre: Es ist Robbenjagd in Kanada. Einer der einheimischen Jäger schleift ein Jungtier über das Eis, das aufgeregte Muttertier folgt der Blutspur. Im Hintergrund töten weitere Jäger dutzende Tiere mit Metallstangen, während Mitglieder von „Greenpeace“ ihren Unmut demonstrieren und den Abtransport der Robben behindern. Vor allem aber filmen die Aktivisten das Schlachten mit damals modernen 16mm-Kameras, um die aufwühlenden Bilder später der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Und dann ist da noch die Leinwandgöttin Brigitte Bardot, die vor Ort für ein Foto mit einer Robbe posiert und die mediale Aufmerksamkeit für die Aktion ankurbelte.
 
Die Robben-Kampagne markiert einen Wendepunkt in der Geschichte von „Greenpeace“ und zog interne Grabenkämpfe nach sich. Eigentlich sah der Plan nämlich vor, die schneeweißen Felle der Jungtiere einzufärben, was sie für den Markt unbrauchbar gemacht hätte. Nach einer Diskussion mit lokalen Jägern, für die der Fellverkauf die Lebensgrundlage darstellt, entschied man sich aber, auf das Färbemittel zu verzichten. Einigen Gründungsmitgliedern war das bloße Filmen der Robbenjagd allerdings nicht radikal genug. Sie vermissten das entschiedene Vorgehen der Anfangszeit und kehrten dem Verein den Rücken zu.
 
Seit den ersten Erfolgen gründeten Sympathisanten überall in der Welt „Greenpeace“-Büros, denen aber eine gemeinsame Verwaltung fehlte. Die 40.000 Dollar Schulden der Ursprungstruppe um Bob Hunter wollte niemand begleichen. Was folgte, war die Kommerzialisierung des Vereins, der sich ab 1979 international aufstellte. Mit der hippiesken Anfangszeit, als die Aktivisten im maroden Fischkutter „Phyllis Cormack“ einen Atombombentest verhindern wollten, hatte der Verkauf von Buttons, Shirts und Mitgliedschaften aber nur noch im Kern etwas zu tun.
 
„How To Change The World“ beleuchtet die Entwicklung von „Greenpeace“ von der ersten Kampagne im Jahr 1971 bis zur bürokratischen Umstrukturierung Ender der 70er-Jahre. Regisseur Jerry Rothwell stehen dafür zahlreiche Videoaufnahmen zur Verfügung, mit denen die Aktivisten bereits ihre erste Kampagne kleinteilig dokumentiert haben. Interviews mit den wesentlichen Protagonisten, die die Zerwürfnisse innerhalb der Gruppe kaum verhehlen, kommentieren die Archivbilder. Auf einer dritten Ebene spricht der Schauspieler Barry Pepper private Aufzeichnungen von Bob Hunter ein, der in den ersten Tagen zum unfreiwilligen Anführer von „Greenpeace“ avancierte. Auf diese Weise nimmt Jerry Rothwell quasi automatisch die Perspektive der Aktivisten ein und nähert sich seinem Gegenstand ohne kritische Distanz, die in Anbetracht der fehlenden demokratischen Strukturen der Organisation durchaus angebracht wäre.
 
Eine zentrale Taktik der Umweltschützer rückt gleich zu Beginn in den Fokus. Bob Hunter und seine Mitstreiter setzten von Anfang an auf eindringliche 16mm-Videobilder und Fotografien, um die Aufmerksamkeit der Medien zu erlangen. Die erste und vielleicht wichtigste Regel zur Rettung der Welt, mit denen Jerry Rothwell die Kapitel seines Dokumentarfilms überschreibt, lautet „Plant a Mind Bomb“. In der Praxis bedeutete das, die breite Bevölkerung mit dramatischen Bildern an den heimischen Fernsehapparaten aufzurütteln.
 
Eine dieser Aufnahmen entstand, als die Aktivisten eine russische Walfangflotte mit Schlauchbooten belagerten. Die ohnehin kinotaugliche Szene vom Kampf David gegen Goliath auf hoher See bekam ihren letzten Schliff, als einer der Walfänger seine Harpune auf einen Pottwal abfeuerte und ein „Greenpeace“-Schlauchboot um rund vier Meter verfehlte. Man könnte sagen, die Aktivisten waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dass die Umweltschützer ihre Aktionen ausgiebig filmten, trug jedenfalls wesentlich zur Herausbildung eines breiten ökologischen Bewusstsein in der Gesellschaft bei – und macht die Doku „How To Change The World“ in dieser Form überhaupt erst möglich.

Christian Horn