How to cook your life

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Während das Kino immer unerbittlicher die Abgründe der Fast-Food-Industrie auslotet, verfolgt Doris Dörrie das Thema Ernährung auf luftigeren Wegen. Sie lässt einen kalifornischen Zen-Mönch und Bestseller-Koch über Reis, Karotten und das Leben an sich plaudern. Ihre klar strukturierte, undidaktische Dokumentation beobachtet auf ähnlich leichtfüßige und ironische Weise wie „Erleuchtung garantiert“ oder ihr Roman „Was machen wir jetzt?“ den Zusammenprall von westlicher Sinnkrise und Buddhismus. Das Zuschauen wird zur behaglichen Gewissensmassage.

Webseite: www.how-to-cook-your-life.de

D 2007
R+B: Doris Dörrie
K: Jörg Jeshel, Doris Dörrie
Mit: Edward Espe Brown
M: b:sides music production
P: Megaherz GmbH, Franz X. Gernstl, Fidelis Mager
Verleih: MFA
Format: 1:1,85, OmU
L: 93 Min.
Start: 10. Mai 2007

PRESSESTIMMEN:

 

Eine reizvolle, nachdenklich stimmende Einführung in die Spiritualität des Zen-Kochens, die auch ein Ausdruck von Selbstsorge und Fürsorge ist.
film-dienst

Ein Zen-Meister aus Kalifornien zeigt anschaulich, dass Essen mehr ist als Nahrungsaufnahme, und zelebriert Kochen als Fest der Sinne. (...) Während Filme über die Fast-Food-Industrie oft mit erhobenem Zeigefinger ihre Message verbreiten, nähert sich Dörrie dem Thema von der positiven Seite, zeigt durch ihren Protagonisten mögliche Alternativen auf. (...) Westliche Hast versus buddhistische Harmonie, da schlägt unser Herz für die Letztgenannte, und wir vergessen für 90 Minuten jegliche Hektik und schwören, demnächst nur noch bewusst zu essen und zu leben.
Blickpunkt:Film

FILMKRITIK:

Wenn du den Reis wäscht, wäscht du den Reis. Wenn du Suppe rührst, rühre Suppe. Was soll man denn damit? Zen-Meister Edward Espe Brown erläutert diese Sätze mit so viel leisem Humor und Nachdenklichkeit, dass sich schon beim Zuhören eine meditative Ruhe einstellt. „Gerade heute ist es einfach, das Leben mit anderen Dingen zu verbringen, als mit dem, was man machen möchte.“ Das bewusste Leben beginnt im ganz banalen Alltag, auch das Kochen ist  ein Mittel zur Erkenntnis. Mit Zen lässt sich nicht nur die Kunst des Bogenschießens, der  Motorradwartung, der Teezeremonie oder des Blumenbindens ergründen, sondern auch die des Karottenschneidens - bitte schräg - und des vorsichtigen Teigknetens - bitte mit der flachen Hand. Zen, „der weglose Weg“, ist Versenkung und konzentrierte Beobachtung, Einheit von Innen und Außen, die Aufmerksamkeit für den Augenblick. Zen ist alles und nichts, in Worten kaum erklärbar.

„Wie sollen wir uns lebendig fühlen, wenn wir uns alles abnehmen lassen? Wir kochen das Essen, aber in der Praxis kocht das Essen uns. Kochen kann zum Fiasko werden, aber vielleicht ist das ganze Leben ein Fiasko. Das Leben verschlingt dich.“ So philosophiert der Meister weiter.  Woher kommen Unzufriedenheit und Schmerz? „Wir lassen die Dinge nicht in unser Herz.“ Ein guter Koch brauche Lebensfreude, gute Laune, Offenheit. Das Schwierige am Kochen seien die Leute. „Ihr seid alle erleuchtet, bis ihr den Mond aufmacht.“

Bereits als Kind wunderte sich Edward Espe Brown darüber, wie Menschen pappiges Weißbrot essen können. Sein vor über 30 Jahren erstmalig erschienenes „Tassajara Bread Book“  ist längst eine Kochbibel geworden. Der Meister vergießt Tränen bei der Erinnerung an zerbeulte Teekessel. „Auch sie machen ihre Arbeit, auch sie sind im Alter zu etwas nutze. Dann bin ich es vielleicht auch.“ Er ist ein Zen-Priester mit echten Entertainerqualitäten.

Doris Dörrie begleitete Edward Espe Brown in das buddhistische Zentrum Scheibbs in Österreich zu einem sehr entspannten Kochkurs, sie suchte auch das „Zen Center San Francisco“ und das „Tassajara Zen Mountain Center“, in dem er unterrichtet, auf. Dazwischen fügt sie sehr frei und unbefangen Bilder von Restaurants, Kühen, Hühnerzüchtern und Archivaufnahmen von Suzuki Roshi, dem Lehrer von Edward Espe Brown. Sie begleitet auch eine Obdachlose, die sich selbst als Leiterin eines „Back Door Catering Service“ bezeichnet, da sie die Gartenfrüchte von überhängenden Zweigen pflückt. Der Mikrophonausleger des Tonmannes ist ihr dabei behilflich. So widmet sich auch die Filmdramaturgie spielerisch und selbstbewusst den Umständen des Alltags. Ein weicher Jazz-Soundtrack  unterstreicht Doris Dörries gänzlich unverbiesterte Umgehensweise mit einem großen Thema stilvoll. 

Dorothee Tackmann

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Ed Brown ist ein Prachtexemplar von einem Menschen. Er ist Zen-Meister und Chefkoch. In verschiedenen Zen-Zentren kocht und lehrt er. Seine Koch(und Philosophie)bücher sind bekannt. Doris Dörrie hat ihn mit der Kamera lange besucht, ihm beim Kochen zugeschaut und beim Lehren zugehört.
Brown, dessen Lehrer Suzuki Roshi (20. Jahrhundert) und Dogen (13. Jahrhundert) waren, ist Buddhist durch und durch. Wenn man diesen Dokumentarfilm gesehen hat, wird einem klar, wie viel man von ihm lernen kann. Nicht die Hektik und die moderne Zeit, nicht das Streben nach Erfolg und Zeitersparnis, nicht der schnelle Genuss und das scheinbare Glück machen das richtige Leben aus, sondern die Besinnung, die Ruhe, das Sich-bewußt-Beschäftigen mit den Dingen, die man gerade tut, das wahre Erkennen der Natur und dessen, was sie uns bietet, das Dasein für andere, das Offensein für alles. Dies schafft die nötige geistige Zufriedenheit.

Man hört Brown mit Erstaunen und Genuss zu. Er ist natürlich, nie aufdringlich, nur manchmal ungehalten über das Benehmen seiner Schüler. Er lacht und er weint. Er legt sein Leben offen. Eine Weisheit nach der anderen kommt von ihm. Brown kocht, spricht über die Verformungen unserer Zeit, über das bewusste Zubereiten der Nahrung, über seine Lehrer. Er rät dazu, anders zu leben. Jeder, der im Kino sitzt, kann sich davon eine Scheibe abschneiden. Die Fülle des Buddhismus wird ganz gegenwärtig.

Doris Dörrie hat das alles mit passenden und kommentierenden Bildern unterlegt: vom Kochen an Ort und Stelle (in den Zen-Zentren); von buddhistischen Zeremonien; von Ed Browns Lehrern; von den gemeinsamen Mahlzeiten; von dem, was in der Nahrungsmittelherstellung und der Verwendung der Lebensmittel in der Welt falsch gemacht wird; und noch von vielem. Man spürt unmittelbar, dass sie selbst mit ganzem Herzen bei der Sache war.

Keine Frage, für den Aufgeschlossenen ist dieser Film ein Gewinn. 

Thomas Engel