Huacho – Ein Tag im Leben

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Ein Tag im Leben einer chilenischen Familie beschreibt Alejandro Fernandez Almendras in seinem Debütfilm. In vier Segmenten schildert er die Versuche einer Mutter, ihres Sohnes und der beiden Großeltern ihr ärmliches Dasein etwas rosiger zu gestalten. Zurückhaltend erzählt, lebt „Huacho“ nicht zuletzt von seinem überaus authentisch wirkenden Blick auf die chilenische Unterschicht.

Webseite: www.kairosfilm.de

Chile 2009
Regie, Buch: Alejandro Fernandez Almendras
Darsteller: Clemira Aguayo, Alejandra Yanez, Cornelio Vilagran, Manuel Hernandez
Länge: 89 Minuten
Verleih: Kairos
Kinostart: 21. Juli 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ein ganz normaler Morgen scheint es zu sein, mit dem „Huacho“ beginnt. Die vier Mitglieder der Familie sitzen am Frühstückstisch, Mutter, Sohn und zwei Großeltern, man plaudert, der Sohn bettelt nach Taschengeld, der Großvater erzählt eine Geschichte, die er augenscheinlich schon zig Mal erzählt hat, der Strom fällt aus, man beginnt, seinem Tagwerk nachzugehen. In diesem Tag, den der chilenische Regisseur Alejandro Fernandez Almendras in seinem Debütfilm schildert, wird nichts Außergewöhnliches passieren, finden keine bemerkenswerten Dramen statt. Es ist der ganz banale Alltag einer Familie am Rande der Gesellschaft, nicht in bitterer Armut lebend, aber doch knapp bei Kasse. Und so spielt Geld eine Rolle in drei der vier Segmente des Films, in dem jeweils eine der vier Figuren begleitet wird, bevor der Film wieder zur Ausgangssituation am Frühstückstisch zurückkehrt und eine andere Person begleitet.

Den Anfang macht die Großmutter, die Milch kauft, Käse herstellt und diesen dann an der Landstraße verkaufen will, so wie es diverse Frauen aus dem Dorf auch tun. Der Preis für Milch wurde erhöht und so einigen sich die Verkäuferinnen auf eine Preiserhöhung für ihr Produkt. Doch die verschreckt die Kunden und so lässt sich die Großmutter bald zu Nachlässen überreden, um zumindest einige der Käse zu verkaufen. Ob ihre Kolleginnen die gemeinsame Vereinbarung ebenso ignorieren erfährt man nicht, der Film macht kein weiteres Aufheben über diese kleine, unmoralische Handlung, die aus der Not geboren ist.

Die Mutter arbeitet als Köchin bei einer wohlhabenden Frau, die ihr diesmal keinen Vorschuss auf ihr Gehalt geben will. Notgedrungen gibt die Mutter also ein gerade gekauftes Kleid zurück, um das Geld für die Stromrechnung bezahlen zu können. Am Frühstückstisch hatte sie noch behauptet, die Rechnung schon bezahlt zu haben, eine kleine Lüge, die das Motiv des Films subtil fortführt.

Auch der Sohn begeht eine fragwürdige Handlung: Er verpetzt seine Schulkameraden, die ihn nicht mit ihrem Computerspiel spielen lassen. Dass er zudem fortwährend als „Bauer“ bezeichnet wird, macht ihn zusätzlich zum Außenseiter in der Schule in der Stadt, für die er jeden morgen eine lange Busfahrt auf sich nehmen muss.

Schließlich der Großvater, der seinen Tag auf dem Feld verbringt und in der Kneipe bei einem Glas mit Freunden beendet. Er ist der einzige der vier geschilderten Personen, die keine durch die Geldknappheit hervorgerufene ambivalente Handlung begeht und ist zudem die einzige Figur, die so etwas wie Hoffnung für die Zukunft vermittelt.

Am Ende des Films, wenn die vier Figuren wieder zusammen am Tisch sitzen, die Anfangsszene wiederholend, ist zwar ein Tag vergangen, doch geändert hat sich nichts in dieser kleinen Welt. Man ahnt, dass am nächsten Tag alles genauso oder zumindest doch ähnlich ablaufen wird, dass die Familie weiter darum kämpfen wird, am Rande der Gesellschaft zu überleben, geplagt von Geldknappheit und dem Wunsch nach Konsumgütern, die sie sich nicht leisten kann.

Ganz zurückhaltend schildert Alejandro Fernandez Almendras diesen Tag, bleibt mit der Kamera nah an seinen vier überzeugenden Laiendarstellern dran, lässt die Szenen sich lose, organisch entwickeln. Vieles wird nur angedeutet, manchmal in Auslassungen erzählt und formt am Ende doch ein komplexes Geflecht an Figuren und Stimmungen. „Huacho“ mag zwar ein kleiner, sehr unaufgeregter Film sein, in seiner subtilen Art ist er aber ein unbedingt sehenswertes Debüt.

Michael Meyns