Human Nature – Die CRISPR-Revolution

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Dass die Zukunft schon längst begonnen hat beweist die Dokumentation „Human Nature – Die CRISPR-Revolution“. Der Film handelt von einer der größten wissenschaftlichen Revolutionen des Jahrtausends: der Möglichkeit des Genom-Engineerings mittels des bahnbrechenden Verfahrens CRISPR. Wie der punktuelle Eingriff in die DNA genau funktioniert, wie er erfolgreich in der Medizin eingesetzt werden kann und wo die Gefahren liegen, erklärt der Film konzentriert, umfassend und - auch für Laien - sehr anschaulich.

Webseite: mindjazz-pictures.de

USA, Australien, Spanien, Türkei 2019
Regie & Drehbuch: Adam Bolt
Länge: 91 Minuten
Kinostart: 7.11.2019
Verleih: mindjazz Pictures

FILMKRITIK:

Die aus bakteriellen Immunsystemen extrahierte Genschere CRISPR-CAS9 macht eine Kontrolle der Bausteine des Lebens auf nie da gewesene Weise möglich. Seit ihrer Entdeckung ist die präzise und einfache Veränderung der DNA-Sequenzen in unserem Erbgut keine Zukunftsvision mehr. So entstehen ganz neue Wege, als unheilbar geltende Krankheiten zu besiegen und die Biosphäre, also den gesamten von Organismen bewohnten Lebensraum der Erde, neu zu gestalten.

„Human Nature“ beginnt mit einer körnigen, schwarz-weißen TV-Ausschnitt aus den 60er-Jahren, in der man der amerikanischen Öffentlichkeit einen einmaligen Durchbruch in der Forschung mitteilte: der genetische Code des Menschen konnte vollständig entschlüsselt werden. Und schon damals sprach der verkündende Wissenschaftler davon, dass in Zukunft die „Veränderung der Gene“ möglich sei. Diese Aufnahme steht beispielhaft für die gelungene Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart, die sich durch den gesamten Film zieht.

Denen an passenden Stellen wirft „Human Nature“ immer wieder einen Blick zurück in die Geschichte der Genomforschung, zeigt wichtige Etappen in der Entwicklung der Gentherapie und erinnert an wegweisende Einsätze in der Medizin sowie durchschlagende Behandlungserfolge. Etwa als 1999 Gentherapien zum ersten Mal gegen Parkinson und Alzheimer eingesetzt wurden und ein Jahr später erstmals ein menschliches Leben durch Gentherapie gerettet werden konnte. Ein noch gewaltigeres Werkzeug zur Verhinderung von Erb- und anderen schweren Krankheiten (von Krebs über Malaria bis hin zu HIV und Schizophrenie) steht Medizinern und Forschern mit der „CRISPR“-Methode zur Verfügung.

CRISPR durchtrennt die Erbsubstanz DNA exakt an zuvor genau festgelegten Stellen. So kann man Gene zielsicher eliminieren, abändern oder neue Gene an einer bestimmten Stelle einbauen. Möglich macht das ein steuer- und programmierbares Protein. Im Film zu Wort kommende Biochemiker und -Ingenieure erklären das genaue Verfahren sehr verständlich und konkret. Ohne allzu sehr in die Tiefe zu gehen, sich in Fachchinesisch zu verlieren oder zu akademisch zu werden. Regisseur Adam Bolt ergänzt die Erläuterungen zudem durch gelungene Animationen, die das Gesagte effektiv visualisieren. Eine persönliche Note verleiht er seinem Film, indem er Familien zu Hause und Kinder im Krankenhaus besucht, die an jenen, künftig möglicherweise heilbaren, erblichen Erkrankungen leiden. So zum Beispiel einen Jungen mit der Sichelzellenkrankheit Junge oder ein Mädchen, die unter Albinismus, einer angeborenen Stoffwechselstörung, leidet.

Doch „Human Nature“ hinterfragt darüber hinaus kritisch die wissenschaftlichen Errungenschaften, die CRISPR mit sich bringt. Dabei geht es Bolt vor allem um Aspekte der Ethik und Moral. Er wirft die Frage auf, was die Folgen der Schaffung des „perfekten Menschen“, kreiert nach den individuellen Wünschen und Vorstellungen der Eltern, wären. Wie ein hochwertiges, fehlerloses und perfekt funktionierendes Produkt. Wo bleibt der Mensch dahinter? Was sind die Konsequenzen eines kommerziellen, gewinnbringenden Einsatzes dieses Verfahrens? Und: Wie weit darf die Gen-Forschung überhaupt noch gehen? Bioethiker versuchen, auf diese schwierigen, komplexen Fragen antworten zu geben. Sie kommen zu dem ernüchternden Schluss, dass die Festlegung allgemeingültiger ethischer Grenzen dem unaufhaltsamen Fortschritt in Forschung und Wissenschaft gnadenlos hinterherhinkt.

Björn Schneider