Hundschuldig

Zum Vergrößern klicken

Laetitia Doschs Regie-Debüt „Hundschuldig“ dreht sich um die „wilde Mischung“ Cosmos, einen nur scheinbar braven Hund, der eingeschläfert werden soll. Der Film ist eine noch weniger brave, um nicht zu sagen: wilde Mischung aus Komödie, Gerichtsthriller, Satire und philosophischem Drama. In 81 spannenden Minuten und in vielen Wendungen durchläuft diese merkwürdige, absurden Geschichte zahllose Richtungswechsel, und das ganze mit ordentlich Power und jede Menge Energie.

Webseite: https://weltkino.de/filme/hundschuldig

Schweiz, Frankreich 2024
Regie: Laetitia Dosch
Drehbuch: Anne-Sophie Bailly, Laetitia Dosch
Mitwirkende: Laeitia Dosch, Kodi, Anne Dorval, François Damiens, Pierre Deladonchamps, Jean-Pascal Zadi
Kamera: Alexis Kavyrchine
Musik: David Sztanke

Länge 81 Minuten
Verleih: Weltkino Verleih
Start: 13.02.2025

Als Anwältin übernimmt Avril Lucciani bevorzugt hoffnungslose Fälle und ist gleichzeitig, was ihre juristischen Erfolge anbelangt, selbst nicht viel erfolgreicher: Ihr Unsympath von Chef empfiehlt ihr dringend, den nächsten Fall zu gewinnen, wenn sie den Job in seiner Kanzlei behalten will. Doch dann blickt sie in die Augen der liebenswerten Promenadenmischung „Cosmos“ und schon hat sie das nächste Mandat übernommen, das offenbar aussichtslos ist: Sie willigt ein, den Hund und seinen Halter Dariuch Michowski zu verteidigen. Cosmos soll nämlich eingeschläfert werden, weil er drei Frauen gebissen hat und dabei eine von ihnen so schwer im Gesicht verletzt haben soll, dass es kosmetischer Chirurgie bedarf, damit sie sich wieder unter Menschen traut. Mit einem juristischen Kniff verhindert Avril zunächst die Einschläferung des Tiers und erwirkt einen neuen Prozess, in dem das Tier nicht, wie juristisch üblich, als Sache, die deshalb Eigentum des Halters ist, sondern als Individuum behandelt wird. Dieser Prozess, der eine absurde Wendung nach der anderen nimmt, weckt das Interesse der Öffentlichkeit. Avril und Cosmos werden Medien-Stars, und die Geschichte gewinnt eine unvorhersehbare Eigendynamik.

Man mag es kaum glauben, aber die ganze Story beruht tatsächlich auf wahren Begebenheiten, die sich vor ca. zehn Jahren in der Schweiz ereignet haben. Doch Laetitia Dosch gibt sich nicht damit zufrieden, das damalige Geschehen im Gerichtssaal in der üblichen Form eines Justiz-Thrillers nachzustellen. Die Gerichtsverhandlung ist für sie lediglich eine Art Timeline, in der sie zahlreiche Nebenfiguren und Subplots einhakt: Da ist zum einen die überehrgeizige Staatsanwältin, deren politischer Ehrgeiz sie jedes Maß verlieren lässt. Zum anderen kommt ein sympathischer Hundetrainer ins Spiel, der zwar Cosmos‘ latenten Sexismus aufdeckt, aber auch Avrils Herz erobert. Avril ihrerseits findet trotz allem Stress noch die Zeit, sich um einen kleinen Nachbarsjungen zu kümmern, der möglicherweise misshandelt wird.

Mit überbordender Fantasie, einem sicheren Gespür für die komischen Momente, die auch in den ernsten Augenblicken des Geschehens lauern, und mit großer Bereitschaft, jeden Umweg, den ihre Figuren gehen wollen, mitzugehen, wenn er denn zu einer Pointe führt, hat Laetitia Dosch ein schrilles, wildes Kaleidoskop nicht nur der Schweizer Gesellschaft kreiert. Sie hält praktisch allen Menschen den Spiegel vor. Und darin ist eine stets empörungsbereite Meute zu sehen, die gewillt ist, jede auch noch so absurde Übertreibung für bare Münze zu nehmen, solange das Spektakel einigermaßen die Gewissheit vermittelt, auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Der Blick, den Laetitia Dosch auf die Menschen wirft, ist dabei prinzipiell warmherzig und durchaus liebevoll, aber auch einigermaßen unbarmherzig. Ihr Film entwickelt sich damit immer mehr zu einer modernen Gesellschaftssatire mit vielen Ecken und Kanten. Vermutlich könnte man an „Hundschuldig“ eine gewisse dramaturgische Chaotik kritisieren sowie die gelegentlich disziplinlos anmutende Erzählweise und eine Gestaltung, die einigermaßen respektlos jeden Hang zur Perfektion verweigert.

Doch was viel schwerer wiegt: „Hundschuldig“ ist ein wunderbar frischer, frecher, subversiver und vor allem mutiger Film, gedreht von einer couragierten Frau, die sich nicht um Schubladendenken und Kritikerweisheiten kümmert, sondern die ihr Publikum unterhalten und zum Nachdenken anregen will. Aber schließlich gilt noch das alte Sprichwort: Der Köder soll dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Und genau wegen solcher Filme lohnt es sich, ins Kino zu gehen!

 

Gaby Sikorski