Hustlers

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In einem moralischen Vakuum scheint Lorene Scafarias Stripper-Drama „Hustlers“ zu existieren, der dank seines glatten, stylischen Looks und seiner zumindest oberflächlich betrachtet emanzipierten Haltung in Amerika einer der Überraschungshits des Kinosommers war. So mitreißend inszeniert sind die Körper und die Lust am Geld, dass dabei die unklare Haltung der Geschichte kaum auffällt.

Webseite: www.universumfilm.de

USA 2019
Regie & Buch: Lorene Scafaria
Darsteller: Constance Wu, Jennifer Lopez, Julia Stiles, Keke Palmer, Lili Reinhart
Länge: 107 Minuten
Verleih: Universum
Kinostart: 28. November 2019

FILMKRITIK:

„Macht Geld dich nicht geil!?“ ist der erste Satz, den Jennifer Lopez als Ramona, Königin der Stripperinnen, von sich gibt, nachdem sie mit ganzem Körpereinsatz für eine wilde Horde reicher Wall Street-Typen getanzt hat und dafür mit Dollar-Scheinen überhäuft wurde. Und so wie Ramona sich lasziv auf der Bühne räkelt, sich mit den Scheinen einreibt, sie an ihr tiefes Dekollete drückt, kann man die Frage getrost mit einem emphatischen Ja beantwortet: Diese Frau macht Geld tatsächlich geil und das vermutlich mehr als Sex.
 
Der Sinn des Lebens für die erfahrene Ramona und ihr Gegenüber, die unbedarfte Newcomerin Destiny (Constance Wu), ist der Materialismus, der sich in ausgedehnten Shoppingtouren durch die Luxusboutiquen New Yorks manifestiert - und in der bedingungslosen Liebe für ihre Kinder. Denn das scheint das Kalkül von Lorene Scafarias auf realen Ereignissen basierendem Film zu sein: Die Hauptfiguren als liebende Mütter zu präsentieren, denn dann können sie im Kern offenbar eigentlich nicht schlecht sein.
 
Stattdessen werden die Frauen um Ramona und Destiny als Opfer und Produkte eines Systems dargestellt, als Wesen, die nicht wirklich verantwortlich für ihr Tun sind, sondern praktisch dazu gezwungen werden. Wohlgemerkt ist damit nicht das bloße Tanzen und Strippen gemeint, mit dem Ramona und ihre Freundinnen anfangs ihr Geld verdienen. Das wäre kaum mehr als eine der Dienstleistung, für die Anfang und Mitte der Nuller Jahre die vielen reichen Männer, die an der Wall Street ihr Geld verdienten, tief in die Tasche griffen. Doch nach dem Börsenkrach von 2008 veränderte sich die Lage, das Geld saß nicht mehr so locker, die amerikanischen Mädchen bekamen Konkurrenz aus Russland, wo Frauen herkamen, die für wenig Geld auch zu sexuellen Gefälligkeiten bereit sind.
 
Und so brüten Ramona, Destiny und die anderen einen Plan aus, der in „Hustlers“ zwar als Robin-Hood-artige Umverteilung der finanziellen Mittel dargestellt wird, der nüchtern betrachtet aber schlicht und ergreifend kriminell war: Unbedarfte Männer wurden anfangs in Strip-Clubs, später in Hotelzimmer gelockt, wo sie mit Mitteln betäubt wurden, die im umgekehrten Fall als Date-Rape-Drugs bezeichnet werden. In diesem Zustand wurden ihre Kredit- und Firmenkarten bis zum Maximum belastet und die besinnungslosen Kunden anschließend ins Taxi verfrachtet. Eine ganze Weile ging das gut, keines der Opfer wagte, zur Polizei zu gehen, bis die Verbrecher-Crew geschnappt wurde und zu Bewährungsstrafen verurteilt wurde.
 
Und Mittelpunkt eines Aufsehen erregenden Magazin-Artikels wurde, der nun die Basis für Lorene Scafarias „Hustlers“ bildet, der im Stile eines Musik-Videos, mit glatten Bildern, schnellen Schnitten, viel Zeitlupe und noch mehr nackter Haut, sowohl die Arbeit als auch das Vergnügen der Frauen schildert: Den Tanz an den Stripperstangen und das Kaufen von Luxusartikeln. Geld regiert die (kapitalistische) Welt und ganz besonders Amerika mag man da denken, doch zu welchem Preis? Rechtfertigt die Gier nach Designermode, Pelzen und Louis-Vuitton-Taschen wirklich jedes Mittel? Man würde sich wünschen, dass die Kritik an der materialistischen Konsumgesellschaft mehr als nur zu erahnen wäre. Doch auch wenn die Bilder aus den Strip-Clubs immer wieder mit Aufnahmen von der Wall Street kontrastiert werden, wenn immer wieder betont wird, dass die Wall-Street-Typen es nicht besser verdienen, fällt es schwer, dieser Logik zu folgen. Ein Unrecht hat noch nie ein anderes rechtfertigt, auch wenn die Täter so attraktiv und selbstbewusst dargestellt werden, wie die Hauptdarstellerinnen von „Hustlers“. Ob man deren Haltung und Taten als Teil der fraglos notwendigen gesellschaftlichen Gleichberechtigung versteht, könnte man auch als eine Art moralischen Lackmustest bezeichnen.
 
Michael Meyns