I Like Movies

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Nervensägen haben eine lange Tradition in der Geschichte der Filmkomödie. Lawrence Kweller wird das sicherlich gern bestätigen, denn erstens kennt er mindestens hundert Filmklassiker, die sich um Nervensägen drehen, und zweitens ist er selbst eine gewaltige solche.
Lawrence ist der Protagonist von Chandler Levacks Coming-of-Age-Dramedy „I Like Movies“ (der Filmtitel ist eine gewaltige Untertreibung). Es geht um einen jungen Film-Freak, der dringend ein paar Dinge über sich selbst lernen sollte und über das wahre Leben – zur Erläuterung: Das ist das Leben, das sich nicht auf Kinoleinwänden abspielt.

Webseite: https://www.camino-film.com/filme/ilikemovies/

Kanada 2022
Drehbuch und Regie: Chandler Levack
Mitwirkende: Isalah Lehtinen, Romina D’Ugo, Krista Bridges, Percy Hynes White,
Kamera: Rico Moran
Musik: Murray Lightburn

Länge: 99 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih
Start: 27. März 2025

FILMKRITIK:

Lawrence (Isaiah Lehtinen) ist 17 Jahre alt, lebt zu Beginn der Nuller Jahre im verhältnismäßig verschlafenen Burlington in Ontario und weiß alles über Film und Kino, was es zu wissen gibt. Dieses Wissen hat er sich durch seinen exzessiven Film- und Videokonsum in den letzten Jahren angeeignet und hält sich nun für den Star des Filmkurses seiner Highschool. Doch leider ist er das nicht: Er geht lediglich seinen Mitschülern durch dauerndes Nörgeln und Besserwissen auf den Zeiger, sein eigener Output an spannenden Filmen oder Videos ist gleich Null. Lawrence ist ein Träumer, der sich grundsätzlich bereits in der Planungsphase seines nächsten Werks in einer Sackgasse verrennt. Trotzdem ist er fest davon überzeugt, nach dem Highschool-Abschluss auf der renommierten Filmschule der New York University angenommen zu werden. Das dafür notwendige Kleingeld will sich Lawrence bei der örtlichen Filiale einer großen Videothekenkette verdienen, denn seine seine alleinerziehende Mutter Terri (Krista Bridges) wird ihm den Weg zu Ruhm, Ehre und Nachfolge von mindestens Stanley Kubrick nicht finanzieren können. In der Videothek gelingt es Lawrence, sich beinahe ebenso schnell unmöglich zu machen wie auf der Highschool. Trotzdem nimmt ihn die unkonventionelle Filialleiterin Alana (Romina D’Ugo) unter ihre Fittiche. Doch auch sie kann nicht verhindern, was Lawrence mit seinen umfassenden Filmkenntnissen eigentlich von Anfang an hätte wissen müssen: Man muss im Leben wie im Kino erstmal jede Menge lernen und einstecken, bevor man weiß, wo’s langgeht.

Wer das Kino liebt, wird sich in Lawrence wiederfinden. Diese Leidenschaft für emotional bewegende Geschichten, dieses sich-Verlieren in der Welt des Films, wo Probleme anders und meistens leichter gelöst werden als im wirklichen Leben, ist wohl allen ein Begriff, die für die Filmkunst brennen oder einst gebrannt haben. Dabei ist Lawrence beileibe kein sympathischer Charakter. Es ist Chandler Levack hoch anzurechnen, dass sie als Regiedebüt zwar einen relativ typischen Coming-of-Age-Film gedreht hat, ihm jedoch einen von der Wirklichkeit schwer gezeichneten Protagonisten verpasst hat. Lawrence ist eben nicht nur der junge Filmfreak, den jeder knuddeln möchte, sondern ein durch den Selbstmord seines Vaters traumatisierter, eigensinniger und beinahe narzisstischer Nerd, der nicht davor zurückschreckt, die Menschen zu verletzen, die es gut mit ihm meinen. Isaiah Lehtinen hat sich mit großer Verve in diese schwierige Rolle geworfen und geht mehrmals bis über die Schmerzgrenze hinaus. Allein diese schauspielerische Leistung lohnt den Kinobesuch.

Ansonsten bedient „I like Movies“ mit Schwung und Humor die bekannten Mechanismen des Coming-of-Age-Genres, wobei die Geschichte im letzten Drittel in die schnöde Realität abbiegt, was naturgemäß weniger Leichtigkeit und mehr Ernst zur Folge hat. Doch dabei wird auch hier nicht an Humor gespart – da soll der Job in der Videotheken-Branche angeblich für die nächsten 30 bis 40 Jahre sicher sein, und das in dieser Geschichte, die im Jahr 2002 angesiedelt ist ... das hat einen gewissen nostalgischen Charme, der manchmal sogar in sarkastischen Witz mündet.

Doch letztlich geht es um Lawrence und darum, dass der Junge endlich lernt, was wirklich wichtig ist – im Leben wie im Beruf, ganz gleich, ob man im Regiestuhl sitzt, vor einer Tafel steht, Gäste im Restaurant bedient oder auf einer Baustelle arbeitet: Anderen zuhören ist zum Beispiel sehr wichtig, ebenso wie eine vernünftige Kommunikation. Und dazu gehören auch einige wichtige Erkenntnisse: Was im Kino ganz selbstverständlich in zwei Stunden erledigt wird, dauert in Wahrheit meistens länger. Aber dafür kann man es auch im echten Leben anwenden und vielleicht sogar mit der Aussicht auf ein Happy End.

Auch wenn es sich hier nicht um ein konventionelles Feelgood-Movie handelt, sorgt der Film doch für beschwingte Gefühle. Das liegt an der zwar fantasievollen, aber glaubwürdigen Geschichte mit einem außergewöhnlichen Protagonisten, aber vor allem am Thema – die Macht des Kinos. Denn das ist der Stoff, aus dem die Träume sind!

 

Gaby Sikorski