I.S.S.

Zum Vergrößern klicken

Im Jahr 2020 fand sich Nick Shafirs Drehbuch zu „I.S.S.“ auf der Black List. Das ist eine jährliche Liste mit den besten nichtproduzierten Drehbüchern. In der Regel finden diese Drehbücher dann aber bald Interessenten, so auch „I.S.S“, dessen Prämisse wirklich klasse ist: Wie Amerikaner und Russen reagieren, wenn auf der Erde ein Krieg zwischen ihren Nationen ausbricht und sie von ihren Regierungen den Befehl bekommen, die Internationale Raumstation um jeden Preis einzunehmen. Der Film ist solide, aber er hat Schwächen.

Webseite: https://www.upig.de/

USA 2023
Regie: Gabriela Cowperthwaite
Buch: Nick Shafir
Darsteller: Ariana DeBose, Chris Messina, John Gallagher Jr.

Länge: 95 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 18. Juli 2024

FILMKRITIK:

Kira ist neu auf der I.S.S. angekommen. Dort leben nun drei Amerikaner und drei Russen, die zusammenarbeiten, aber auch ihre jeweils eigenen Experimente verfolgen. Eines Tages bemerkt Kira, dass auf der Erde Bomben gezündet werden – thermonukleare, die man aus dem All sehen kann. Bevor die Verbindung zur Erde abreißt, erhalten die Amerikaner noch eine Nachricht, nach der ein Konflikt zwischen den USA und Russland ausgebrochen ist und sie die I.S.S. um jeden Preis unter ihre Kontrolle bringen sollen. Die Frage ist: Haben die Russen dieselbe Nachricht bekommen?

Es ist technisch durchaus kühn, einen Film zu machen, bei dem sich alle Figuren kontinuierlich in Schwerelosigkeit befinden. Das ist filmisch betrachtet aber auch nicht nur für die Schauspieler immens anstrengend, sondern auch logistisch schwer umsetzbar. Darum überzeugt nicht jede der Schwebe-Szenen, hin und wieder merkt man, dass die Schauspieler an Kabeln befestigt waren. Aber das ist nicht das eigentliche Problem des Films.

Das liegt eher darin begründet, dass die klaustrophobische Stimmung nicht wirklich ausgespielt wird – und das Gefühl der Paranoia, wenn auf engem Raum zwei antagonistische Gruppen konzentriert sind. Was dem Film aber gut gelingt: Ein Gefühl zu vermitteln, dass die Astronauten und Kosmonauten beim Blick auf die Erde aufhören, an Grenzen zu denken. Nur um dann von der Realität eingeholt zu werden. Es mag irrational erscheinen, aber Menschen sind so. Sie folgen Befehlen, auch wenn sie dadurch zum Mörder werden müssen. Und sie verfallen in alte Wir-gegen-sie-Verhaltensmuster. Denn man muss sich vor Augen führen, dass das Bild des blauen Planeten sich gewandelt hat. Sie sehen eine rote Feuersglut unter ihnen, die einen ganzen Kontinent bedeckt. Die logische Folgerung ist die eines thermonuklearen Kriegs, der ein Überleben auf der Erde fast unmöglich macht.

Aber auf der I.S.S. wird gekämpft, für eine dann obsolete Vorstellung von Nationen. Ein Gedanke, der angesichts der großen Vernichtung eigentlich ad absurdum geführt wird, und doch gerade auch im letzten Bild – und mit der Nachricht von der Erde – noch einmal verstärkt wird. Nicht mal im Angesicht des Armageddon ist der Mensch in der Lage, über sich selbst hinauszuwachsen.

 

Peter Osteried