I still believe

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Es ist eine Art Symbiose aus den unzähligen christlichen Glaubensdramen der Marke „Den Himmel gibt’s echt“ und „Himmelskind“ sowie den nicht minder unzähligen Trittbrettfahrern von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ – zwei Dinge, die nur bedingt zusammenpassen. „I Still Believe“ richtet sich vorwiegend an die Liebhaber ersterer Kategorie und wirkt auf Außenstehende daher mitunter durchaus fragwürdig.

Website: www.studiocanal.de/kino/i_still_believe

USA 2020
Drehbuch und Regie: Andrew Erwin, Jon Erwin
Darsteller: K.J. Apa, Brit Robertson, Reuben Dodd, Shania Twain, Nicolas Bechtel, Terry Serpico, Tanya Christiansen, Cameron Arnett
Verleih: Studiocanal
Länge 116 Min.
Start: 13. August 2020

FILMKRITIK:

Der aufstrebende junge Musiker Jeremy (K.J. Apa) verliebt sich Hals über Kopf in die bezaubernde Melissa (Britt Robertson). Doch ihr Glück scheint nur von kurzer Dauer, denn Melissa erhält eine schreckliche Diagnose. Durch Jeremys Musik schöpft das junge Paar immer wieder Kraft, sich gegen das Schicksal zu stellen. Ihr gemeinsamer Lebensmut scheint alles überwinden zu können. Doch ist ihre Liebe stark genug, den Weg bis zum Ende gemeinsam zu gehen?
Man hat ja schon irgendwie ein schlechtes Gewissen, wenn man auf wahren Ereignissen beruhenden Filmen attestiert, diese seien „zu konstruiert“. Schließlich können die Beteiligten ja nichts dafür, wenn ihr Leben tatsächlich so verlaufen ist wie geschildert – vorausgesetzt, wir reden nicht von obligatorischen Texttafeln vor etwa Horrorfilmen wie „Conjuring“, in denen die einzig wahren Ursprünge die handelnden Figuren sind. Das Liebesdrama „I Still Believe“ gehört ebenfalls zu diesen Kandidaten, die vom echten Leben einer Person, in diesem Fall des in den Vereinigten Staaten extrem erfolgreichen Popmusikers Jeremy Camp, erzählen. Und wenn man ihm im wahrsten Sinne des Wortes Glauben schenkt, dann handelt er vor allem von Gott.
Denn „I Still Believe“ gehört in die Kategorie der christlichen Propagandafilme, in diesem Fall in Form einer Romanze der Kategorie „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, Wenn ich bleibe“ oder „Drei Schritte zu dir“. „Kann man machen!“ möchte man im ersten Moment sagen. Schließlich ist der Markt für christlich geprägte Unterhaltung, ganz gleich ob Musik oder Filme, in den USA riesengroß. Aber sie hinterlassen bei Außenstehenden nicht selten einen unangenehmen Beigeschmack, da sie dem Zuschauer, der im Anbetracht der Zielgruppe möglicherweise noch längst nicht reflektiert genug ist, um das Gezeigte zu hinterfragen, die Glaubensbotschaft mit dem Holzhammer einflößen.
Es beginnt alles recht harmlos; Nämlich wie eine von tausend Teenie-Lovestories, in denen sich zwei junge Menschen ineinander verlieben, eh sie mit einem schweren Schicksalsschlag konfrontiert werden. Doch wer bis zu dem Moment der Krankheitsdiagnose noch nicht davon abgeschreckt war, dass hier quasi im Minutentakt an die Großzügigkeit Gottes appelliert wird – es ist ja vollkommen okay, wenn man sich schon im jungen Alter sehr stark über seinen Glauben definiert, darin Halt und Geborgenheit findet – der dürfte spätestens dann die Hände vors Gesicht schlagen, wenn die an Krebs erkrankte Melisse ihrem Liebsten vollkommen abgeklärt erzählt, dass Gott ja sicher etwas Größeres für sie vorhabe, die Krebserkrankung so etwas wie ein Gottesgeschenk sei. Und dabei bleibt es nicht.
Erst ist die junge Frau sterbenskrank, dann ganz plötzlich wieder gesund (und im Film damit erklärterweise ein „Gotteswunder“), nur um schließlich erneut schwer an Krebs zu erkranken. Und so sehr einem die Behauptung der „wahren Ereignisse“ von Beginn des Films sowie die Worte des Popmusikers Jeremy Camp und seiner heutigen Frau Adrienne auch imponieren mögen, so wenig lassen es die permanenten Gottespreisungen irgendwann zu, dass man mit den Protagonisten überhaupt noch mitfiebert, weil man die vielen „Thank God!“s und andere bisweilen ziemlich plump geschriebenen Liebes- und Lebensschwüre einfach nicht mehr hören kann.
So empfänglich man auch dafür sein mag, dass Gott höchstpersönlich für die Erkrankung, Genesung und Wiedererkrankung eines jungen Mädchens verantwortlich ist, um ein junges (Ehe-)Glück auf die Probe zu stellen, so sehr grätschen die Autoren Jon Erwin („I Can Only Imagine“) und Jon Gunn („The Week“) mit ihren hanebüchenen Dialogen dazwischen. Wenn Melissa sich in minutenlangen Liebesschwüren mit den Sternen im Universum vergleicht („Die hellsten Sterne lebten am kürzesten!“), dann mag das auf dem Papier, vielleicht in Gedichtform an den oder die Liebste(n), poetisch klingen. Doch authentische Dialoge zwischen verliebten Teenagern sind das ganz und gar nicht.
Hinzu kommt, dass zwar die Chemie zwischen Britt Robertson („A World Beyond“) und ihrem Filmpartner K.J. Apa („The Hate U Give“) stimmt, beide allerdings so schwach aufspielen wie lange nicht. Letzterem nimmt man es noch nicht einmal ab, glaubhaft erschöpft auf dem Boden eines Krankenhauses zu liegen, während Robertson in den Momenten des angestrengt in die Ferne Starrens eher zum unfreiwilligen Schmunzeln einlädt als zum Mitfühlen. Das von ihr dargestellte Drama ist einfach immer eine Spur zu viel.
Inszenatorisch kann sich „I Still Believe“ dagegen durchaus sehen lassen. Die ohnehin mit dem Segment der christlichen Propagandafilme vertrauten Regiebrüder Andrew und Jon Erwin (inszenierten zusammen schon die ähnlich verorteten Filme „I Can Only Imagine“ und „October Baby“) orientieren sich für ihren Film an den Werken eines Nicolas Sparks. Sie beginnen ihre Geschichte vor einem spektakulären Sonnenaufgang. Auch sonst steht bei den hochglänzenden Kameraaufnahmen ihres Stammkameramanns Kristopher Kimlin die Sonne oft tief und sorgt für verträumte Bilder, vor denen sich die Hauptfiguren noch viel verträumter in die Augen schauen. Auch die Musik spielt – für einen Film über einen hocherfolgreichen Musiker erwartbar – keine unwichtige Rolle in „I Still Believe“. Das ist auf der einen Seite sogar ganz nett, denn wer auch nur ein wenig für balladenlastigen Countrypop empfänglich ist, der bekommt hier einige schöne Nummern präsentiert.

Antje Wessels