Ice Aged

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Dabei sein ist alles: Das Olympische Motto hat angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung des Profisportes immer mehr an Bedeutung verloren, im Amateurbereich jedoch gibt es Orte, an denen es noch gilt. So bei den Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf der Amateure, die in Alexandra Sells Dokumentarfilm „Ice Aged“ Ziel der Träume für sechs Menschen älteren Semesters darstellen.

Deutschland 2025
Regie & Buch: Alexandra Sell
Dokumentarfilm

Länge: 110 Minuten
Verleih: Majestic
Kinostart: 10. April

FILMKRITIK:

Gelegentlich muss man den Atem anhalten. Wenn die Herrschaften im Seniorenalter über das Eis gleiten, mit oft etwas holprigen Bewegungen, Tempo aufnehmen und zarte Sprünge wagen. Doppelte oder gar dreifache Drehungen wie bei den Profis sind hier natürlich nicht zu erwarten, mehr als zarte Hoppser sind es nicht, aber dennoch. Jeder Sturz könnte das Ende bedeuten, Knochen werden im Alter bekanntermaßen nicht stabiler, doch das Risiko nehmen sie in Kauf.

Toos etwa, eine Frau aus den Niederlanden. Ein Land, in dem es Nationalsport ist, im Winter auf den zugefrorenen Grachten Schlittschuh zu laufen. Doch Toos Familie war arm und so konnte sie sich erst im hohen Alter ihren Traum erfüllen. Ihr Mann fährt sie regelmäßig zu einer Eisbahn, wo die rüstige Dame trainiert: Für die Weltmeisterschaft im Eiskunstlaufen der Amateure, die regelmäßig in Oberstdorf, im Allgäu, in den bayrischen Alpen abgehalten werden.

Die noch von Corona und Masken geprägte Ausgabe 2022 bildet den Ziel- und Höhepunkt von Alexandra Sells Dokumentarfilm „Ice Aged“ mit dem die Regisseurin ihre Beschäftigung mit dem Eiskunstlauf fortsetzt. Schon in ihrem 2017 entstandenen Spielfilm „Die Anfängerin“ ging es um eine Eiskunstläuferin älteren Semesters. Bei einer Vorführung des Films wurde die Regisseurin von Roland Suckale angesprochen, einem seit langem in den USA lebenden Geschäftsmann, der im Alter seine Liebe zum Eiskunstlauflauf wiederentdeckt hatte und nun als einer von sechs Protagonisten von „Ice Aged“ auftaucht.

Ein sanft ironischer Titel, der an die bekannten Animationsfilme erinnert. Doch lustig macht sich Alexandra Sell nicht über ihre Protagonisten, im Gegenteil. Ihre Erzählstimme driftet oft ins elegische ab, beschwört Kindheitsträume und unerfüllte Sehnsüchte, die von den Notwendigkeiten des Lebens oft überschattet werden und oft nur spät, fast zu spät wieder erwachen.

Fast märchenhaft wirkt es, wie Sell von ihren Protagonisten erzählt, der aus dem russischen Karelien stammenden Elena etwa, die inzwischen in Duisburg lebt, mit kaum 60 die deutlich jüngste im Bunde und auch die ehrgeizigste. Mit großem Aufwand näht sie sich aufwändige Kostüme, sucht klassische Musik für ihre Darbietungen aus – und ärgert sich ungemein, als kleine Unsicherheiten und ein Sturz ein besseres Ergebnis verhindern.

Denn auch bei den Amateuren gibt es quasi professionelle Kampfrichter, wird bewertet, werden Trophäen verteilt. Doch bei allem Wettkampfgedanken ist es am Ende doch die Freude am Eiskunstlauf, die die sechs Eisläufer antreibt. Sechs Schicksale beschreibt Alexandra Sells, manche fast tragisch, von Entbehrungen geprägt, andere mehr vom bloßen Gedanken an den Sport und den Wettkampf. Am Ende verbindet die sechs Damen und Herren die Freude am Eiskunstlaufen und der Wunsch, sich langgehegte Träume zu erfüllen.

 

Michael Meyns