Ich, Tomek

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Der fünfzehnjährige Pole Tomek lebt in der deutsch-polnischen Grenzeregion. Die Öffnung der Grenzen im Jahre 2000 hat für ihn wie für viele Menschen in der Region dramatische Auswirkungen. Auf der Suche nach dem schnellen Geld, für sich und seine Freundin, rutscht der Junge ins Strichermilieu. Ein erschütterndes Drama über das Ende einer Kindheit und den „Warenwert“ des Menschen, erzählt in knappen Bildern, die nachhaltige Wirkung hinterlassen.

Webseite: www.salzgeber.de

Polen/Deutschland 2009
Regie: Robert Glinski
Darsteller: Filip Garbacz, Anna Kulej, Daniel Furmaniak, Rolf Hoppe
94 Minuten
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 10.6.2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Am liebsten richtet der fünfzehnjährige Pole Tomek seinen Blick zu den Sternen. Ein kleines Observartorium, das er gemeinsam mit einer Jugendgruppe unter der Leitung seines ehemaligen Deutschlehrers einrichten will, soll ihm seinem Traum näher bringen. Aber Geld ist im Jahre 2000 Mangelware im dem tristen polnischen Grenzort. Weder seine Familie noch die örtliche Kirchengemeinde sind bereit, solcherlei Luxuswünsche zu unterstützen. Wer Geld verdienen will, muss sich auf Geschäfte mit den Deutschen einlassen. Und so ignoriert Tomek den Wunsch des Vaters, der ihn lieber im örtlichen Fußballclub spielen sehen würde, und die Worte des Pfarrers über gefährliche Einflüsse aus dem Westen, um auf eigene Faust sein Teleskop zu finanzieren. Aber mit Verkäufen von Spargel und Gartenzwerge an deutsche Grenzgänger kann man keine großen Sprünge machen. Das Geld reicht nicht, vor allem nicht für Marta, in die sich Tomek in der Disco verliebt hat. Das Mädchen hat seine eigenen Vorstellungen vom Dolce Vita, möchte schicke Klamotten, Partyleben und makellose Zähne, wie die Hollywoodschönheiten. Auf der Suche nach einträglicheren Geschäften wendet sich Tomek an seinen besten Freund Clemny. Der arbeitet für Borys, einem Zuhälter mit wohlhabenden Kunden, die für Sex mit Jungs viel Geld bezahlen. Tomek taucht in die Szene ein und muss für den Sündenfall schon bald bitter büßen. Max, ein besonders brutaler Freier, bringt ihn beim Sex beinahe um. Der geschundene Junge zieht seine eigenen Schlüsse aus dieser bitteren Erfahrung. Bald schon ist er wieder bei Max, doch diesmal ist es Tomek, der dem Schinder seinen Freund Clemny als Stricher anbietet.

Der polnische Regisseur Robert Glinskis ("Unkenrufe") erzählt vor dem Hintergrund einer Epochenwende vom Ende der kindlichen Unschuld. Düster ist das Bild, das Glinski hier von der rasanten Erosion einer Gesellschaft zeichnet, die der Wucht des Westens schutzlos ausgeliefert ist. Vor allem für die Teenager wird die Prostitution zum einzigen Mittel, um an den Segnungen des Kapitalismus teilzuhaben. Auf der Suche nach Orientierung bei dem Weg ins Erwachsenenleben versagen die alten Institutionen wie Familie und Kirche, weil sie die Jugendlichen nicht mehr erreichen. Im Film leben Tomek und die anderen Kinder zusehends in einem Paralleluniversum, das sich seine eigenen zynischen Gesetze schafft.

Die Regie findet für Tomek Abstieg in den kriminellen Abgrund knappe, präzise Bilder, die aber zuweilen etwas plakativ daherkommen und zu vereinfachender Schwarz-Weiß-Malerei neigen. Die inszenatorische Schwäche geht vor allem am Ende auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Dennoch hinterlässt das Drama mit seiner schonungslosen Sichtweise einen nachhaltigen Eindruck. Wie schon bei Lukas Moodyssons bitterem Jugenddrama "Lilja 4-Ever" sind es auch hier die Kinder, deren Zukunft auf so bittere Weise endet, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Norbert Raffelsiefen

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